In Hoholz, einem Ortsteil von Bonn, war die Fleischtheke über Jahrzehnte hinweg ein vertrauter Anblick. Sie gehörte zunächst zu einem Edeka-Markt, später wurde daraus eine eigenständige Landmetzgerei mit Mittagsangeboten, Bedienungstheke und einem festen Kundenstamm.
Viele Menschen aus der Umgebung kannten sie, nutzten sie regelmäßig und verbanden mit ihr nicht nur den Wocheneinkauf, sondern auch ein Stück Heimat.
Doch Anfang 2023 veränderte sich alles. Der Laden schloss. Die große Theke, einst zentraler Treffpunkt und wichtiger Versorger, verschwand. Die Zeiten hatten sich geändert – wirtschaftlich, gesellschaftlich, organisatorisch. War das das Ende einer kleinen ländlichen Metzgerei?
Heute, knapp ein Jahr später, zeigt sich: Es war kein Ende. Sondern ein Neuanfang.
Der stille Wandel: Von der Theke zur digitalen Fleischstation
Dort, wo früher das Fleisch persönlich über die Theke gereicht wurde, befindet sich inzwischen ein moderner Biomarkt. Was auf den ersten Blick wie ein vollständiger Bruch mit der Vergangenheit wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Teil eines neuen Gesamtkonzepts.
Denn die Metzgerei Weitz hat sich nicht zurückgezogen. Sie hat sich neu aufgestellt.
Der Fleischverkauf erfolgt heute digital – und dennoch ortsnah.
Statt einer Bedientheke gibt es eine App. Statt Spontankäufen vor Ort: gezielte Vorbestellungen.
Die Abholung erfolgt im ehemaligen Kiosk gegenüber. Wo früher Briefmarken verkauft und Pakete aufgegeben wurden, befindet sich nun eine gekühlte Abholstation. Im Hintergrund wird für die Kunden gearbeitet: an der Herstellung der Waren, für Planung, Organisation – flexibel und passend zur Verfügbarkeit der Fachkräfte.
Neue Wege für alte Werte
Diese Transformation ist nicht spektakulär. Kein medial gefeierter „digitaler Meilenstein“. Keine Buzzwords wie Blockchain, Metaverse oder KI. Und gerade deshalb ist sie so bemerkenswert.
Denn hier wurde kein Startup gegründet, keine neue Plattform gelauncht. Stattdessen wurde ein bestehendes Unternehmen – ein traditioneller Metzgereibetrieb – konsequent weiterentwickelt. Die Entscheidung für digitale Vorbestellung war eine Reaktion auf veränderte Lebensrealitäten:
Weniger Laufkundschaft. Höhere Kosten. Schwankende Nachfrage. Aber auch ein neues Konsumverhalten, das stärker auf Planbarkeit und Nachhaltigkeit setzt.
Der Umstieg auf App-Bestellungen und feste Abholzeiten ermöglicht es dem Betrieb, die Produktion besser zu steuern und Ressourcen gezielter einzusetzen.
Es entstehen neue Freiräume für Qualität, Zeitmanagement und persönliche Betreuung – nur eben in veränderter Form.
Digitalisierung ohne großen Aufwand – aber mit Wirkung
Oft wird Digitalisierung mit Großprojekten verbunden: mit komplexen IT-Systemen, hohen Investitionen und langwierigen Umstellungen. Dieses Beispiel zeigt: Auch mit überschaubaren Mitteln lassen sich Strukturen verändern – wenn sie konsequent an den tatsächlichen Gegebenheiten ausgerichtet sind.
Der ehemalige Kiosk, der lange Zeit als Postfiliale genutzt wurde, musste nicht grundlegend umgebaut werden. Es reichten einige Kühlschränke, eine neue Nutzungsidee – und ein Kommunikationskanal zur Kundschaft. Der große Vorteil: Die App übernimmt die Funktion der Bestellung, aber nicht den gesamten Prozess. Die Abholung bleibt persönlich, lokal, vertraut.
Usability im Alltag – auch ohne Etikett
Besonders spannend an diesem Beispiel ist: Hier wurde Usability nicht als Konzept diskutiert, sondern einfach angewendet. Die Lösung orientiert sich an typischen Nutzungsgewohnheiten: einfache Bestellung, klare Abholzeiten, persönlicher Bezug. Nutzerbedürfnisse wie Planbarkeit, Orientierung und Vertrauen werden direkt adressiert – ganz ohne erklärende Menüs oder komplexe Benutzeroberflächen.
Genau darin liegt ein oft übersehener Erfolgsfaktor der digitalen Transformation: Gelingt es, vertraute Abläufe in nutzerfreundliche digitale Lösungen zu übersetzen, sinkt die Hürde zur Nutzung – und die Akzeptanz steigt.
Was wir aus Hoholz lernen können
Die Geschichte der Metzgerei Weitz zeigt beispielhaft, wie traditionelle Betriebe im ländlichen Raum auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können, ohne ihren Kern aufzugeben. Es geht nicht darum, alles digital zu machen – sondern darum, das Digitale dort einzusetzen, wo es sinnvoll entlastet, vereinfacht oder ergänzt.
Gleichzeitig macht das Beispiel Mut: Digitalisierung muss nicht disruptiv sein. Sie kann sich leise vollziehen. Schrittweise. An den konkreten Anforderungen orientiert. Und vor allem: am Menschen.
Die Nähe zur Kundschaft bleibt – auch ohne offene Theke. Die Qualität bleibt – auch ohne täglichen Betrieb. Was sich verändert hat, ist der Zugang. Und damit ein Stück Alltag im Dorf.
Tradition trifft Transformation
Die Metzgerei in Hoholz ist ein Beispiel für einen gelungenen Balanceakt. Zwischen Handwerk und Fortschritt. Zwischen Nähe und Effizienz. Zwischen Bewährtem und Neuem. Sie zeigt, dass Digitalisierung im Kleinen beginnen kann – und trotzdem große Wirkung entfaltet.
Ein Modell, das auch in anderen Regionen Schule machen könnte. Und das zeigt: Wer flexibel denkt, kann auch traditionelle Geschäftsmodelle zukunftsfähig weiterentwickeln.
Weitere Informationen zur Landmetzgerei Weitz:
www.metzgerei-weitz.de