HCI an der Stanford University

19. Juli 2006

Unser erster Artikel zum Sonderthema „HCI Ausbildungsprogramme“ befasst sich mit dem Angebot der Universität Stanford. Wir veröffentlichen hier eine deutsche Ãœbersetzung des Beitrages von Terry Winograd. Das HCI-Programm in Stanford legt einen deutlichen Schwerpunkt auf den Bereich Design. Die Studenten verschiedener Fachbereiche erhalten die Möglichkeit in gemeinsamen Projekten ihre Fähigkeiten anwenden und weiterentwickeln. Dabei stehen ihnen erfahrene Personen aus Lehre und Praxis mit Rat und Tat zur Seite.

Die Universität Stanford baut seit einiger Zeit ein neues multidisziplinäres Studienprogramm im Bereich Design auf. Dieses Programm ist auch bekannt unter der Bezeichnung „d.school“. Ein Kernelement dieses Programms ist Human-Computer Interaction Design.

Die Idee der d.school beruht auf der Auffassung, dass Studenten zwei unterschiedliche Arten von Ausbildung benötigen. Das fachliche Angebot herkömmlicher Einrichtungen bietet Studenten eine tiefgehende Ausbildung in Theorie und Praxis einer speziellen Fachrichtung. Diese Ausbildung vermittelt den Studenten die geistigen Instrumente. Allerdings wird dabei häufig der größere Kontext und eine Integration mit anderen Wissensbereichen vernachlässigt. Dies ist aber für tatsächliche Innovationen in der „wirklichen Welt“ notwendig. Die d.school möchte die traditionelle Ausbildung durch Erfahrungen in interdisziplinären Teamprojekten ergänzen. Ziel ist dabei die Förderung eines „design thinking“.

Das d.school Modell umfasst Lehrveranstaltungen, bei denen jeweils ein Hauptprojekt im Mittelpunkt steht. Studenten aus verschiedenen Fachbereichen arbeiten zusammen an einem gemeinsamen Projekt. Dieses Projekt eröffnet den Studenten einen geeigneten Rahmen, um den iterativen Prozess eines benutzerzentrierten integrativen Designs kennen zu lernen. Gleichzeitig erhalten die einzelnen Mitglieder eines Teams die Möglichkeit, ihre jeweiligen Fähigkeiten einzubringen, anzuwenden und zu verfeinern. Aktives Coaching als Lehrmethode spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die einzelnen Personen sowie das gesamte Team erhalten von einer Person mit einschlägigen Erfahrungen fortlaufend detaillierte Rückmeldungen über ihre Arbeit. Dieses Vorgehen ist verglichen mit konventionellen Methoden verhältnismäßig arbeitsintensiv. Wir sind aber in der Lage, Coaches (oder Mentoren) aus der lokalen Industrie in unsere Arbeit einzubeziehen und so die fakultative Lehre zu ergänzen.

Seit einer Reihe von Jahren pflegen wir mit David Kelley von der Mechanical Engineering Design Division in den Lehrveranstaltungen „Interdisciplinary Interaction Design“ eine Zusammenarbeit. Studenten aus den Bereichen Informatik, Maschinenbau, Kommunikation, Business und anderen Fachbereichen beteiligen sich an Teamprojekten, die technisches und Interaktionsdesign für unterschiedlichste Produkte miteinander verbinden. Seit einigen Jahren gibt es außerdem eine Unterstützung und Beteiligung durch erfahrene Designer aus der Wirtschaft (Motorola und Electronic Arts). Diese Projekte – und auch andere Kooperationen über die Grenzen der Fachbereiche und Institute hinaus – lieferten die Inspiration für die Entwicklung eines einheitlichen Programms in Form der d.school.

Die Geschichte des Programms

Das HCI-Programm der Informatik wurde 1990 mit einer einzelnen Lehrveranstaltung begonnen. Inzwischen ist es zu einem Programm angewachsen, welches Kurse auf allen Niveaus anbietet. Es gibt keinen eigenständigen HCI-Abschluss, aber es besteht die Möglichkeit einer Spezialisierung auf HCI für die Abschlüsse Master of Science und PhD in Informatik, sowie für das „interdisciplinary Symbolic Systems program“. Das Curriculum orientiert sich primär am Informatik Master Programm, welches eher praxis- als forschungsorientiert ist. Außerdem gibt eine Vielzahl von Forschung und Lehre in unterschiedlichen Fachbereichen in Stanford, die Berührungspunkte mit HCI aufweisen.

Die Entwicklung des Programms begann mit einer starken Fokussierung auf den Bereich Design. Die „National Science Foundation“ (NSF) unterstützte einen Workshop, welcher zu dem Buch „Bringing Design to Software“ (Winograd, Addison-Wesley, 1996) führte. Die Mehrheit der Kurse bezieht sich dann auch auf Teamprojekte in den Bereichen benutzerorientiertes Design, interatives Prototyping und Evaluation von interaktiven Systemen. Es werden relativ wenige Lehrveranstaltungen über spezifische Technologien und Werkzeuge angeboten. Stattdessen liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf dem Designprozess und Innovation.

Von Anfang an wurde das Programm stark von unserer günstigen Lokalisation in der Nähe einer Reihe von Firmen, Forschungseinrichtungen und Beratern im Bereich HCI im Silicon Valley mitgeprägt. Durch die Anstellung weiterer Mitarbeiter können inzwischen mehr Lehrveranstaltungen angeboten werden. Dennoch ist die Lehre noch immer sehr stark von der Verfügbarkeit auswärtiger Ressourcen abhängig.

In gewisser Weise haben wir die konventionelle Ausbildung unseres Instituts in eine Richtung verändert, die dem Lernen an designorientierten Ausbildungsstätten näher kommt. So wie beispielsweise in der Kunst, Architektur oder an einigen der modernen Ausbildungseinrichtungen für Interaktionsdesign. Dazu zählen etwa das Interaction Design Institute Ivrea, das Royal College of Art in London, das ITP Programm an der New York University und TU/Eindhoven. Diese Programme Positionieren sich selbst in einer Designtradition. Sie zentrieren ihre Ausbildung auf die kritische Abhandlung von Designprojekten und führen ihre Studenten eher an die Produktion von „Portfolios“ heran, als an das Publizieren. Sie sind so strukturiert, dass sie ihre Studenten zur Entwicklung von Hintergrundwissen führen, welches sie in ihrem Beruf einsetzen können, anstatt ihren Akzent auf ein genaues Textbuchwissen zu legen.

Wir glauben, dass es auch in den allgemeinen Universitäten einen Platz für ein HCI-Programm gibt, welches von den Idealen des Designs inspiriert ist, sich aber dennoch auf technische Kompetenzen der Informatik und die Arbeit in Strukturen und unter Bedingungen eines Informatikinstituts gründet. Unsere Aufgabe ist es, die Kluft zwischen diesen beiden Kulturen zu überbrücken und eine Umgebung zu erschaffen, in welcher Studenten technischen Tiefgang mit integrativem „design thinking“ verbinden können.

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