Zufrieden (und glücklich): Auf der Suche nach einer Differenzierung der dritten Usability-Stufe

Die drei Stufen des Qualitätstreppchens der Usability sollten jedem Usability-Engineer und UXler bekannt sein: Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung, gemäß der DIN-Norm ISO 9241-11. Eigentlich ganz einfach, oder? Effektivität ist die Vollständigkeit und Genauigkeit der Zielerreichung. Effizienz der Aufwand zur Zielerreichung. Und Zufriedenstellung… wenn der Nutzer zufrieden ist. Also positiv eingestellt. Warte, positiv – ist das nicht UX? Frei von Beeinträchtigung? Vermindern Nutzungsbeeinträchtigungen nicht die Effizienz?

Zufriedenstellung als Einstellung oder Reaktion?

Es zeigt sich, dass die allgemeine Auffassung was Zufriedenstellung (Eng. Satisfaction) als dritte und letzte Usability-Stufe (Abbildung 1) genau bedeutet alles andere als klar ist. Auch in der ISO 9241 wandelte sich die Definition über die Jahre. Sprach man nach der ursprünglichen Version von 1998 von „Freiheit von Beeinträchtigung und positive Einstellung gegenüber der Nutzung des Produkts“ (heute immer noch das wahrscheinlich gängigste Verständnis), lautete 2015 ein neuer Entwurf: „Das Ausmaß, in dem Einstellungen in Verbindung mit der Nutzung eines Systems, Produkts oder einer Dienstleistung und die emotionalen und physiologischen Effekte, die durch die Nutzung entstehen, positiv oder negativ sind.“ In der aktualisierten Version von 2018 wird Zufriedenstellung schließlich in etwa als „das Ausmaß der Übereinstimmung der physischen, kognitiven und emotionalen Reaktionen des Benutzers, die aus der Benutzung eines Systems, eines Produkts oder einer Dienstleistung resultieren, mit den Benutzererfordernissen und Benutzererwartungen“ definiert. Diese etwas sperrige Formulierung deckt somit potenziell das gesamte Spektrum der menschlichen Reaktionen ab und stellt einen Bezug zu der Angemessenheit an den Nutzungskontext her.

Hier fällt sofort die Ähnlichkeit zur Definition von UX aus Teil 210 selbiger Norm auf, die da lautet: „Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren.“ Es geht also um die Auswirkungen auf den menschlichen Nutzer. Auch ergibt es Sinn, Bedürfnisse und Erwartungen mit einzubeziehen, sollte eine solche Reaktion doch wohl von vielerlei Faktoren beeinflusst sein, weit über Effektivität und Effizienz hinaus. Dennoch erscheint es nicht intuitiv, von Erwartungen an sich zu sprechen. Ist der Nutzer wirklich zufrieden, wenn er eine ineffektive oder unangenehme Benutzung erwartet hat und diese auch erhält? Auch erscheint es zweifelhaft, dass er sich über seine Bedürfnisse und Erfordernisse immer im Klaren sein sollte. Aber wieso stellen uns manche Systeme denn nicht zufrieden, obwohl sie technisch sauber und effizient funktionieren?


Abbildung 1: Dreistufiges Usability-Treppchen

Zufriedenstellung als subjektive Evaluation?

Die gebräuchlichen Messungen der Zufriedenstellung beantworten diese Frage nicht, sondern fokussieren sich auf diverse Aspekte der Effizienz. So erfasst der SUMI beispielsweise die Aspekte Effizienz (entspricht dem Dialoggrundsatz der Aufgabenangemessenheit nach ISO 9242-110), Erlernbarkeit (Lernförderlichkeit), Hilfsbereitschaft (Selbstbeschreibungsfähigkeit), Kontrolle (Steuerbarkeit) und Emotion (teilweise Erwartungskonformität). Häufig werden auch statt standardisierter Fragebögen bestimmte Aspekte der Nutzung abgefragt, von Emotionen und Einstellungen (gefällt mir) über Präferenzen (Wertung 1–10) bis hin zu Wahrnehmungen der Interaktion (schwierig zu bedienen) und des Ergebnisses (erfolgreich). Allgemein gilt der Grundsatz, wenn ich am Ende des Nutzungstests einen Fragebogen vorlege, messe ich die Zufriedenstellung. So weit, so gut. Oder nicht? Nicht wenn Zufriedenstellung eine andere Qualität als Effizienz beschreiben soll. So kann man argumentieren, dass es für jede Stufe subjektive und objektive Messungen geben sollte, und nicht die eine Stufe nur die subjektive Messung der anderen objektiven Stufe darstellt. Zum Beispiel misst der AttrakDiff-Fragebogen sowohl die Effizienz (als pragmatische Qualität) als auch die hedonische Qualität, hier im Sinne von Stimulation und Identifikation, sowie die Attraktivität des Systems.

Zufriedenstellung als Aspekt der User Experience?

In der Tat, der UX-Designer mag einwenden, mangelnde Zufriedenstellung liege an zu wenig Features, die positive Emotionen und Erfahrungen auslösen. Freude (Eng. pleasure) gilt als die anstrebenswerte Nutzerreaktion im Sinne einer positiven UX. Auch der Usability-Pionier Jacob Nielsen definierte Satisfaction als Usability-Aspekt, welcher die Annehmlichkeit der Nutzung beschreibt. Wenn die Bohrmaschine in verschiedenen Farben je nach Material und Druck aufleuchtet, ist das sicher aufregend und reizvoll. Allerdings wird in der UX-Forschung argumentiert, die Beurteilung eines interaktiven Systems als reizvoll (Eng. appealing) führe zu unterschiedlichen Emotionen: zum einen Freude als Reaktion auf unerwartete Erlebnisse; und eben Zufriedenheit als Reaktion auf die erwartete Leistung des (zufriedenstellenden) Systems. Usability ist maßgeblich ein Qualitätsmerkmal eines Werkzeugs. Hier geht es um erwartete Resultate. Werkzeuge und Arbeitsmittel können (und werden) nicht immer schön und aufregend sein, so erstrebenswert diese Vorstellung auch sein mag. Was hier zählt ist die Effizienz, die problemlose Aufgabenerledigung. Aber wenn die Werkzeuge negative Reaktionen auslösen, hilft das alles nichts, denn keiner wird sie erwerben wollen. Wieso könnte denn nun ein Nutzer unzufrieden sein?

Die UX-Forschung schlägt zum Beispiel vor, dass interaktive Arbeitssysteme nicht nur Aufgabenausführung ermöglichen, sondern außerdem Nutzer fesseln sollen, sodass sie motiviert und positiv gestimmt bleiben. Eines der zentralen Themen der positiven Psychologie ist Flow, das Erlebnis des vollkommenen Aufgehens in einer Tätigkeit, welches mit Vergnügen und Wohlbefinden einhergeht. Drittens sollten interaktive Systeme Tätigkeiten erweiter- und variierbar machen und viertens, den Übergang zu ganz neuen Aufgaben und Ziele ermöglichen. In diesem Sinne wäre Technologie sicherlich nicht bloß effizient. Sie würde uns fordern, fördern und unsere inneren Bedürfnisse ansprechen.

Zufriedenstellung durch psychische Bedürfnisbefriedigung (oder der Verhinderung von Bedürfnisfrustration)?

Bestrebungen aus Forschungsfeldern wie Positive Computing, Positive Design und Positive UX zielen auf das langfristige Wohlbefinden des Menschen als Nutzer von Technologie ab. Hierbei spielen psychologische Bedürfnisse eine maßgebliche Rolle, allen voran die Grundbedürfnisse Autonomie, Kompetenz und soziale Verbundenheit. Wenn ein interaktives System eines oder am besten alle diese Bedürfnisse erfüllt, kann man durch die Nutzung wachsen, sich entwickeln, Glückseligkeit und Sinn finden – das ultimative Ziel des Positive-UX-Ansatzes. Beispielweise implementierten UX-Forscher einen Danke-Button in ein Dokumenten-Management-System (Abbildung 2), um Gefühle der Verbundenheit mit dem Team zu erhöhen. Auf diese Weise verspricht man sich, die Anzahl positiver Erlebnisse bei der Arbeit zu erhöhen.


Abbildung 2: Danke-Button (Laib et al., 2018)

Kann mir ein interaktives System – eine Technologie, ein Werkzeug – denn immer viele Entscheidungsmöglichkeiten, Erfolgserlebnisse und soziale Kontakte bei der Aufgabenerledigung ermöglichen? Nein, definitiv nicht immer. Aber vielleicht kann es mich ja zumindest bitte nicht zu etwas zwingen, worauf ich keine Lust habe. Vielleicht kann es mir ja bitte nicht das Gefühl geben, dass ich als Ausführender oder Beschäftigter überflüssig bin. Vielleicht kann es mich ja bitte nicht von meinen Freunden oder Kollegen isolieren. Dann wäre ich doch schon zufrieden.

Quellen

Harbich, S., & Hassenzahl, M. (2008). Beyond task completion in the workplace: execute, engage, evolve, expand.
Hassenzahl, M. (2003). The thing and I: understanding the relationship between user and product.
Hornbæk, K. (2006). Current practice in measuring usability: Challenges to usability studies and research.
ISO (1998). Ergonomic requirements for office work with visual display terminals (VDTs) — Part 11: Guidance on usability (ISO Standard No. 9241-11:1998).
ISO (2006). Ergonomics of human-system interaction — Part 110: Dialogue principles (ISO-Standard-Nr. 9241-110:2006).
ISO (2019). Ergonomics of human-system interaction — Part 110: Dialogue principles (ISO-Standard-Nr. 9241-110:2019).
ISO (2010). Ergonomics of human-system interaction – Part 210: Human-centred design for interactive systems (ISO-Standard-Nr. 9241-210:2010).
ISO (2018). Ergonomics of human-system interaction – Part 11: Usability: Definitions and concepts (ISO-Standard-Nr. 9241-11:2018).
Laib, M., Burmester, M., Zeiner, K. M., Schippert, K., Holl, M.-L. & Hennig, D. (2018). Better together – Unterstützung des positiven Erlebnisses der Zusammenarbeit durch Softwaregestaltung.
Nielsen, J. (1994). Usability Engineering.
Peters, D., Calvo, R. A., & Ryan, R. M. (2018). Designing for motivation, engagement and wellbeing in digital experience.