Misuse Ability

12. Oktober 2013

Verletzung der Usability-Prinzipien kann, ob mit Absicht oder aus Unwissen, auch zur Irreführung der Nutzer und zum Vorteil eines Dienstanbieters eingesetzt werden. Wir wollen diese „Misuse Ability“ anhand eines Beispiels aus dem Leben beleuchten.

Hochsommer, Montag, früher Morgen. Im Büro steht noch stickiger Dunst vom Wochenende. Nun schnell die Fenster auf und raus mit der verbrauchten Luft. Rechner geschwind hochfahren, Mails checken und in kühler Morgenluft die kommende Woche vorsortieren. Uups, beim starten des Terminkalenders macht sich ein grauer Fremdkörper auf dem Bildschirm breit:

Adobe Flash Player aktualisieren
Es ist ein Update für Adobe® Flash® Player verfügbar.
Mit diesem Update wurde die Benutzerfreundlichkeit, Online-Sicherheit und Stabilität verbessert und es wurden neue Funktionen hinzugefügt…

Weiter braucht man nicht zu lesen. Adobes pdf-Dateien sind wohlbekannt und der Adobe Reader ist häufig im Einsatz. Also ein seriöses Angebot. Nur nicht von der Arbeit ablenken lassen, zügig herunterladen und gut ist. Da springt plötzlich der Browser auf. Adobes Erklärung und nochmalige Aufforderung zur Installation:

Jetzt aktualisieren?

Jou, kenn ich. Mach es halt und lenke mich nicht von meinen Vorbereitungen ab! Nach kurzer Ladezeit verdunkelt nun Windows den Bildschirm und fragt seinerseits zwingend:

Möchten Sie zulassen …
Adobe Flash Player-Installationsprogramm

Aber sicher! Langsam wird es lästig. Hab inzwischen eh den Faden verloren.
Zum Schluss möchte Adobe noch etwas über meine soeben gemachte Erfahrung wissen:

Bewerten Sie Ihre Download-Erfahrung:
1 bis 5 Sterne
Konnten Sie Ihr Anliegen erfüllen:
Ja / Nein

Hätte denen lieber einen kurzen Text über den Nerv-Faktor und über die uneingeladene Unterbrechung mit auf den Weg gegeben. Aber ein Textfeld für „Anregungen“ war nicht vorgesehen.

Abhilfe: Aktuelle Updates und Anwendungen auf dem neuesten Stand sind sicherlich wichtig, aber es genügt auch eine kleine Notiz, die sich nur in Arbeitspausen meldet und die sich leicht auf später verschieben lässt. Ein großes buntes Fenster, das wild aufspringt, ist eher kontraproduktiv, im wahrsten Sinne des Wortes.

So weit, so gut. Auf den ersten Blick sind „bloß“ die Aufgabenangemessenheit, Steuerbarkeit und Individualisierbarkeit der EN ISO 9241 – 110 verletzt worden.
Also nur: „Ein gutes Beispiel für schlechte Usability”? Nein, es kommt noch ärger!

Eine Weile später taucht im Startmenü eine neue Zeile auf: „McAfee Security Scan Plus“. Schön farblich hervorgehoben, damit man den fröhlichen Neuzuwachs auch nicht übersieht. Wat is‘ dat dann? Gerade eben war „Es“ noch nicht da. Könnte ein Virus im Spiel sein? Der aktuelle Virenscanner ist installiert. Da kann sich doch nichts eingeschlichen haben. Obwohl, die bösen Buben können sehr einfallsreich sein. Ach soo, heute Morgen hat sich der Flash Player aktualisiert. Kann das der Grund sein?

Eigentlich warten wichtigere Aufgaben, aber eine wundersame Selbstinstallation muss zügig geklärt und bereinigt werden. Folglich, zuerst einen anderen Rechner ohne Netz hochfahren. Zur Kontrolle ein kurzer Blick ins Startmenü – kein „McAfee“ ist zu sehen. Also, Netzkabel einstöpseln und uups, springt der graue Adobe Flash Player – Aktualisator auf.

Jetzt den ganzen Text gründlich durchlesen! Alles wie erwartet. Weiter in der Prozedur und „Aktualisieren“ anklicken. Wieder meldet sich der Browser mit Adobes Erklärung und nochmaliger Aufforderung zur Installation.

Jetzt den ganzen Text gründlich durchlesen! Hoppla! Da ist ein Kästchen markiert, das man beim flüchtigen Überlesen für die obligatorische Urheberschutz-Belehrung hält. Aber hier steht: „Ja, McAfee Security Scan Plus installieren (optional)“; und unter dem Knopf „Jetzt aktualisieren“ steht noch: „Je nachdem, welche Einstellungen Sie verwenden, müssen Sie Ihr Virenschutz-Programm u. U. vorübergehend deaktivieren“. Heidewitzka! Da wird man ganz schön ver-
äppelt. Kleine Unaufmerksamkeit und schon soll der Virenschutz deaktiviert werden? Aber gut. Weiter im Programm. Das Kästchen bleibt zu Testzwecken markiert und „Jetzt aktualisieren?“ wird angeklickt. Windows verdunkelt den Bildschirm und fragt wieder:

Möchten Sie zulassen …
Adobe Flash Player-Installationsprogramm

Jetzt den ganzen Text gründlich durchlesen! Windows sagt nichts über „McAfee“!
Hmm? Den ganzen Text noch einmal und noch gründlicher durchlesen! Da steht immer noch nichts von „McAfee“. Also installieren. Danach ein kurzer Blick in das Startmenü und voilà, da grinst fröhlich das frisch installierte: „McAfee Security Scan Plus“.

Ob sich der ungewünschte Eindringling mit dem bereits installierten Virenschutz verträgt? Oder ob der legitime Virenschutz noch ordnungsgemäß arbeitet? Wurde der Virenschutz vorübergehend deaktiviert? Geht das überhaupt? Keine Antworten, kein Hinweis, weder von Adobe noch von Windows. Da hilft nur eines: die eingeschmuggelte Wanze sofort liquidieren und den rechtmäßigen Virenschutz updaten!
Auf die abschließende Bitte von Adobe: „Bewerten Sie Ihre Download-Erfahrung“, kann nur ein Stern vergeben werden. Null Sterne wären besser, aber das sieht Adobe nicht vor. Und auch die Frage: „Konnten Sie Ihr Anliegen erfüllen?“ kann nur mit einem deutlichen „Nein!“ beantwortet werden. Und, wie schon erwähnt, ein Textfeld für „Anregungen“ ist leider nicht vorgesehen. Da hätte man Lust, etwas Freundliches reinzuschreiben.

Fazit: Diese Download-Erfahrung, die in ähnlicher Form von etlichen anderen Diensten angeboten wird, ist nicht nur „Ein gutes Beispiel für schlechte Usability”, sondern „Ein gutes Beispiel für Misuse Ability!” Dagegen ist niemand gefeit. Allerdings ist die Konkurrenz groß und für jeden Dienst gibt es Alternativen.

Abhilfe: Seriöse Unternehmen können auf neue Updates durch eine dezente Mitteilung z.B. in der Taskleiste hinweisen. Wie beim Bildschirmschoner kann in einer Arbeitspause zusätzlich ein Wink auf neue Versionen erfolgen. Möchte man dem Nutzer weitere Angebote zugute kommen lassen, so soll auf diese optional und erst nach erfolgter Installation des Updates hingewiesen werden.
Die Benutzer sind ihrerseits gut beraten, wenn sie Downloads und Updates auf Zeitfenster mit wenig Ablenkung verschieben. Und nicht vergessen: Den ganzen Text gründlich durchlesen!

Diesen Beitrag bookmarken bei:
Bookmark bei: Yigg Bookmark bei: Webnews Bookmark bei: Technorati Bookmark bei: Mr. Wong Bookmark bei: Linkarena Bookmark bei: Del.icio.us Bookmark bei: Google Bookmark bei: Favoriten Bookmark bei: Facebook

Autor des Beitrags