Eis App – Das Experiment oder „FĂĽhrt die Einbindung von Nutzern zu besseren Ergebnissen?“

1. Dezember 2014

Wir – bei coeno – beschäftigen uns schon seit einiger Zeit mit den Methoden des Usability Engeneerings und sind vom Vorgehen ĂĽberzeugt, mit Hilfe von Kontextinterviews die Erfahrungen des Nutzers zu erfragen und daraus Erfordernisse und Nutzungsanforderungen abzuleiten. Somit wird der Nutzer strukturiert in den Anforderungesprozess involviert. In einigen Projekten u.a. fĂĽr Kabel Deutschland und Xvid Solutions haben wir bereits auf diese Weise erfolgreich gearbeitet …und dennoch wird der Nutzer „aus ZeitgrĂĽnden“ oft nicht gefragt oder das Produktmanagement gibt das Feature-Set direkt vor.

Der Plan

Darum wollten wir die beiden Methoden im Vergleich genauer unter die Lupe nehmen und haben kurzerhand ein kleines Projekt in zwei Teams durchgeführt. Ziel des Projektes ist es, ein Konzept für eine mobile App zu entwickeln, die den Verkauf von Eis aus einer Piaggio Ape unterstützt bzw. für den Nutzer attraktiv macht. „Team # PM“ arbeitet mit einem Produktmanager zusammen und entwickelt das Konzept anhand einer umfassenden Featureliste. „Team # Nutzer“ arbeitet nach der reinen Lehre des Usability Engineerings, wie in der Ausbildung zum zertifizierten Usability-Engineer am Fraunhofer-Institut FIT vermittelt.

Das Vorgehen

Zu Beginn entwickelt das „Team # PM“ eine Scopematrix. Diese beinhaltet die gemeinsam mit dem Produktmanagement zusammengetragenen Anforderungen sowie deren Bewertung und Priorisierung. In der zweiten Woche entwickelt das Team die Leitidee und Interaktionsparadigma. Aus diesen wurde dann das Grobkonzept mit den Kernansichten und -abläufen abgeleitet und mit Hilfe von Wireframes visualisiert. Das Team hat sich entschieden, verschiedene Grobkonzeptversionen zu erarbeiten und dann abzuwägen, wie die mobile App im Detail ausgestaltet werden soll. Die verschiedenen Konzeptansätze wurden in einem gemeinsamen Workshop zusammengeführt.

Der Projektverlauf

Das „Team # Nutzer“ startet mit Kontextinterviews, fĂĽr die sechs relevante Nutzer – Personen, die gerne Eis essen – ausgewählt wurden. Die Interviews wurden in Kontextszenarios – ein in einfacher Sprache formulierter Aufsatz – aufgeschrieben. Die Szenarios sind die Grundlage fĂĽr die Ableitung von Erfordernissen. „Ein Erfordernis ist eine notwendige Voraussetzung, die es ermöglicht, einen Zweck in einem Sachverhalt (Kontext) zu erfĂĽllen.“ [1]

Basierend auf den Erfordernissen wurden die konkreten Nutzungsanforderungen an die mobile App abgeleitet. Ergebnis waren 66 Erfordernisse und daraus abgeleitet 148 Nutzungsanforderungen. Diese wurden mittels eines Aufgabenmodells in Kernaufgaben und Teilaufgaben geordnet. Diese strukturierte Liste beschreibt die Handlungsmöglichkeiten des Nutzers mit der mobilen App. Die Ideen für Interaktionsparadigma und Konzept entstanden im „Team # Nutzer“ sehr schnell, da sich alle bereits sehr intensiv mit den Nutzern und den erforderlichen Funktionalitäten auseinandergesetzt hatten.

Der Designvergleich

Nach drei Wochen waren beide Teams soweit, sich die Konzepte gegenseitig vorzustellen. Bei der Gegenüberstellung der Ergebnisse zeigt sich, dass beide Teams in den Bereichen „Ortung“ und „Sortiment“ übereinstimmen. Allerdings zeigt eine nähere Betrachtung im Detail eine Reihe von deutlichen Unterschieden. [2]

Ortung/Navigation: In beiden Teams war klar, dass der Kunde den Standort der Piaggio Ape kennen muss und auch eine – zumindest gedankliche – Verknüpfung zu seinem eigenen Standort herstellt. Die Navigation zur Piaggio Ape ausgehend vom Nutzerstandort wird in beiden Teams vorgesehen, ist aber im „Team # Nutzer“ klar höher priorisiert.

Sortiment: Über die Notwendigkeit der Anzeige der Eissorten sowie über weitere Informationen wie Zusatzstoffe, Infos zur Herstellung und Zutaten, sind sich die Teams einig. Zusätzlich wünschen sich die Nutzer eine genaue Auszeichnung von neuen Sorten und besonderen Geschmacksrichtungen. Diese Angaben stehen somit bei „Team # Nutzer“ stärker im Fokus. „Team # PM“ plant noch weitere Features wie „Eis des Tages“ und „Voting zu zukünftigen Eissorten“ – hier wird sich zeigen, ob die Nutzer diese annehmen.

Nutzerbewertungen: „Team # PM“ plant allgemeine Nutzerbewertungen von Eissorten. Aus den Nutzerbefragungen hat sich ergeben, dass eine Information über die beliebtesten Eissorten völlig ausreichend ist.

Alarm: Beide Teams sehen eine Alarm-Funktion vor. Interessant ist, dass durch die Nutzerbefragung, neben der Notwendigkeit des Features „Alarm“, wenn die Piaggio Ape in der Nähe ist, weitere interessante Erinnerungen, wie z.B. temperaturabhängiger Alarm und Alarm, wenn das Lieblingseis verfügbar ist, abgeleitet werden konnten.

Social: Die Verknüpfung mit Social Media Netzwerken ist für „Team # PM“ ein Pflichtfeature, ob der Anwender das braucht wissen wir nicht – aus den Kontextinterviews von „Team # Nutzer“ ist es im Zusammenhang mit dem Thema Eis essen nur einmal genannt worden.

Redaktionelle Inhalte: Rund ums Thema „Eis essen“ gibt es noch viele Details, die aus den Kontextinterviews abgeleitet werden konnten, wie z. B.erkennen können, was sich hinter einer außergewöhnlichen Geschmacksrichtung verbirgt, welche Arten von Verpackungen zur Verfügung stehen, was eine besondere Geschmacksrichtung auszeichnet oder ob das Eis optimal gelagert/transportiert wurde.

Design: Darüber hinaus haben Erkenntnisse aus den Kontextinterviews auch einen Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Applikation. So hat sich „Team # Nutzer“ z. B. für eine Farbwelt entschieden, die den Nutzer in Sommerstimmung bringt und an Sonne und Hitze erinnert. Im Gegensatz zum „Team # PM“, das sich eher an dem Charakter der Piaggio Ape erinnert und auf Retroelemente und Pastelltöne setzt.

Das Ergebnis

Es ist klar geworden, dass die Einbindung des Nutzers zu vielen Informationen und Erkenntnissen führt, die positiven Einfluss auf das Ergebnis haben. Somit lassen sich neben objektiven Erkenntnissen hinsichtlich der Nutzerbedürfnisse auch wichtige Erkenntnisse bezogen auf die emotionale Ebene ableiten. Auch hat der Konzepter eine sehr viel ausführlichere inhaltliche Basis, um Features abzuleiten und bessere Argumente für ihre Priorisierung. Daneben hat das Ergebnis zu Rückschlüssen auf das Businessmodell geführt. Team # Nutzer lässt die Piaggio Ape nun immer im gleichen Stadtbezirk fahren, da „Eis essen“ ein spontanes Bedürfnis ist, welches der Nutzer nicht von Fahrplänen und Routen abhängig macht.

Quellen:
[1] „DAkkS Leitfaden Usability Version 1.3“.
[2] Prezi-Präsentation „Eis App – Das Experiment“.

Via: http://blog.coeno.com/eis-app-das-experiment-oder-fuhrt-die-einbindung-von-nutzern-zu-besseren-ergebnissen/.

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