Benutzerfreundliche Websites — fĂĽr Deutsche, Japaner, Iren,… das Gleiche?

5. Juli 2010

Franzosen lieben Sinnlichkeit, die Liebe und das Leben. Asiaten sind sehr höflich, aber irgendwie unergründlich. Ist das wirklich so? Die Urteile über Bewohner anderer Länder sind bisweilen sehr pauschal und werden mehr von Ideen als Realitäten gespeist. Sie vernachlässigen die menschliche Individualität sowie unterschiedliche Gepflogenheiten in Regionen innerhalb eines Landes. Kulturbedingte Unterschiede bei Mehrheiten von Menschen in unterschiedlichen Ländern komplett zu ignorieren, ist ein anderer, aber wohl auch nicht der richtige Weg: Webmaster, die ihre Websites für Menschen im Ausland übersetzen lassen, gehen ihn dennoch bisweilen.

Sie ĂĽbernehmen fraglos das Design der deutschen Seite mit allen Bildern und Videos und sie scheren sich wenig darum, in welchem Land Ihre ĂĽbersetzte Website nach Besuchern fischt. In der Regel funktioniert so etwas nicht. Unterschiedliche Kulturkreise spielen eben doch eine gewisse Rolle.

Websites, die von einer überwiegenden Zahl Deutscher als benutzerfreundlich und attraktiv eingestuft werden, können als saudi-arabische, japanische oder brasilianische Variante auf die Zielgruppe kompliziert und bisweilen abstoßend wirken.

Wer eine Variante seiner Website zukünftig in einer anderen Sprache anbieten möchte, darf also kein exaktes Double produzieren.

Was macht eine benutzerfreundliche Website aus?

Welches Element ist entscheidend dafür, dass ein Besucher einer Website die jeweilige Seite als benutzerfreundlich empfindet: das Design der Seite? Die Inhalte und die Art, wie sie präsentiert werden? Die Navigation der Seite? Im Grunde sind solche Fragen unsinnig, weil sie Einzelnes betonen, wo die Gesamtheit wichtig ist.

Alle Elemente einer Website müssen sich zu einem guten Gesamtbild formieren, das einem Besucher bereits in den ersten Sekunden positiv auffällt.

Länger braucht er nämlich nicht, um über „bleiben“ oder „wieder gehen“ zu entscheiden. Passt alles zusammen und gefällt ihm, bleibt er. Falls nicht, gibt es mit Sicherheit Konkurrenzseiten, die ihn besser bedienen.

Webmaster unterliegen bisweilen dem Fehler, allzu sehr zu globalisieren. Sie haben vielleicht viel MĂĽhe, Engagement und Geld in eine deutschsprachige Website gesteckt, deren Design, Struktur und Inhalte dem deutschsprachigen Publikum gut gefallen. Und nun sollen die Inhalte auch Brasilianern, Japanern, Italienern, Australiern und Iranern… zur VerfĂĽgung gestellt werden. Im Prinzip ist die Website fertig, die Texte mĂĽssen ĂĽbersetzt werden und schon steht ein gutes fremdsprachiges Angebot zur VerfĂĽgung. Das wäre schön. Aber ganz so einfach ist die Sache leider nicht:

Sie kommen möglicherweise nicht umhin, auch das Design und die Struktur ihrer Website zu modifizieren und Textinhalte auf den Prüfstand zu stellen. Selbst gutes Übersetzen — die Basis einer erfolgreichen fremdsprachigen Website — reicht oftmals alleine nicht aus. Lokalisieren nennt sich der Prozess, mit dem Websites komplett an andere Kulturen angepasst werden.

„Daumen hoch“ ist nicht immer positiv

Aber auf was muss man beim Lokalisieren einer Website achten, um Usability auch für andere Kulturen zu gewährleisten? Schauen wir uns Beispiele an:

  • Design und Textlänge: Eine erste Aufgabe kann sich bereits durch die Textlänge eines ĂĽbersetzten Textes ergeben. Ăśbersetzungen verkĂĽrzen oder verlängern Texte häufig; insbesondere länger gewordene Texte können ein vorhandenes Design sprengen und weitergehende Ă„nderungen im Text oder Design nötig machen.
  • Leserichtung: Araber und Iraner lesen Texte beispielsweise von rechts nach links. Ihr Blick wandert also anders als der deutscher Leser ĂĽber eine Website. Daher sollte man bei einer ĂĽbersetzten Website bisweilen auch einen Blick auf den Standort des NavigationsmenĂĽs werfen: Befindet es sich fĂĽr die Zielgruppe an einer geeigneten Stelle der Website?
  • Fotos: Bilder können in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Assoziationen wecken. Bei einer Frau im weiĂźen Kleid mag ein Deutscher an Hochzeit denken. In China wird weiĂźe Kleidung dagegen häufig bei Beerdigungen getragen.
  • Icons: Daumen hoch symbolisiert bei Deutschen Zustimmung. In anderen Kulturen ist es die nicht freundliche Aufforderung an jemanden, einen in Ruhe zu lassen.

Textinhalte und Sprache

Auch die Texte einer Website gehören bei der Lokalisierung auf den Prüfstand. Die leicht ironische Sprache, die bei vielen deutschen Lesern so gut ankam, kann auf ebenso viele Bewohner eines anderen Landes eher befremdlich wirken. Zu prüfen ist daher, ob man Textpassagen oder die gesamte Tonalität eines Textes verändert, um ihn für eine fremde Kultur bereitzustellen. Bei der Übersetzung sollte zudem darauf geachtet werden, in welche Sprache nun genau übersetzt wird. Ins Französische vielleicht? In welches denn?

Franzosen sprechen ein etwas anderes Französisch als Französisch sprechende Kandier, die sich wiederum von französischsprachigen Belgiern unterscheiden.

Ein für Franzosen ins Französische übersetzter Text kann also Wörter enthalten, die ein Kanadier gar nicht versteht.

Lokalisieren bedeutet nicht, alle Bewohner eines Landes über einen Kamm zu scheren. Aber es bedeutet, kulturelle Eigenheiten, die viele Bewohner des Landes prägen, zu berücksichtigen. Fürs Lokalisieren einer Website sollte man daher auf Profis zurückgreifen, die sowohl die Sprache als auch die Kultur des Ziellandes genau kennen. Ansonsten denkt man vielleicht wirklich, dass Kultur in Frankreich gleich Kultur in Deutschland ist. Oder dass Franzosen ausnahmslos sinnliche Menschen sind. Beides kann den Erfolg einer Website für Franzosen deutlich schmälern. Für andere Länder gilt Vergleichbares.

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