Marketing vs. Usability?

Verursacht Usability nur zusätzliche Kosten oder kann durch Usability auch ein Mehrwert generiert werden? Usability muss schon beim Produktdesign berücksichtigen werden, denn Usability bietet einen Marktvorteil, der auch durch teuerste Werbung nicht aufgewogen werden kann!

Produkte und Dienstleistungen sollen sinnvollerweise so angeboten werden, dass die potentiellen Käufer, die Zielgruppe, dieses Angebot auch als wünschenswert wahrnehmen. Um die Zielgruppe zu erreichen gibt es vielfältige Marketingkonzepte, die bereits bei Entwurf, Herstellung und Produktdesign eines Produktes oder einer Produktlinie greifen. Später rundet Präsentation, Werbung und letztendlich Evaluation ein gutes Marketingkonzept ab. Welchen Stellenwert hat Usability in diesem Entwicklungsprozess?

Gutes Marketing folgt immer (s)einem Geschäftsmodell. Sollen bunte Uhren an Kiddies vertrieben werden, wird man eine andere Strategie einschlagen als beim Anpreisen von Designerbekleidung. Eine neue Zahnpasta wird anders beworben als eine renommierte Limousine. Für welche Geschäftsmodelle und Marketingstrategien ist Usability nun sinnvoll und erreicht sogar einen Mehrwert? Dies wird anhand von einigen wenigen charakteristischen Beispielen beleuchtet.

Hit and run

Unter „Hit and run“-Strategie wird meist das Verramschen von Kartoffelschälern, Klingeltönen, Apps und ähnlicher Massenware im unteren Preissegment verstanden. Angeheizt durch marktschreierische Werbung wird bei diesem Geschäftsmodell schnelle Kohle durch Masse umgesetzt. Bei mangelndem Interesse an der Kundenzufriedenheit wird man Usability wohl nicht rentabel unterbringen können. Doch! Allerdings im negativen Sinne. Beispiel: Abo-Falle. Ein Kunde erwartet kostenlose Klingeltöne und gibt seine persönlichen Daten ein. Einige Tage später flattert eine verbindliche Bestätigung eines neuen Abonnements in den Briefkasten. Die Erwartung des Verbrauchers ist mit Absicht getäuscht worden. Dies wird durch viele Urteile zu Gunsten von Verbrauchern bestätigt.

Bannerwerbung

Statt des Endnutzers zahlen Dritte für die angebotene Information oder Dienstleistung. Die Entlohnung erfolgt ähnlich wie bei der Werbung in der Presse oder im Fernsehen anhand der Besucherzahlen. Es liegt also im Interesse des Dienstanbieters, ein breites Internetpublikum anzusprechen und auf seine Seiten zu locken. Die bevorzugte Marketingstrategie ist, auf der eigenen Domäne möglichst viele Beiträge zu angebotenen Themen zu platzieren, um so Suchende auf eigene Seiten zu ziehen. Der Hintergedanke ist nicht nur die einmalige Nutzung des Angebotes, sondern dass dieser Dienstanbieter auch zukünftig bevorzugt wird und sogar an Freunde und Bekannte weiter empfohlen wird. Allerdings ist der Verbraucher ein scheues Reh. Fühlt er sich durch viele Werbeeinblendungen gestört oder durch holprige Usability einer Domäne unwohl, so wechselt er zügig zur Konkurrenz und kommt nicht wieder.
Gutes Marketing hilft, neue Kunden zu gewinnen, aber für längerfristige Kundenbindung ist geschmeidige Usability notwendig. Dann wird ein Angebot auch an Freunde weiter empfohlen.

Markentreue?

In vielen Sparten sind mit ausgeklügelten Marketingstrategien und erheblichen Werbeaufwand renommierte Marken etabliert worden. Bekannte Marken werden wiederum öfter in Presse, Funk und Fernsehen vorgestellt und besprochen. Dadurch wird ihr Bekanntheitsgrad noch weiter gefestigt. Für den Verbraucher sollen Prestige und die sichere Wahl – da kann man ja nichts falsch machen -, ein Alleistellungsmerkmal darstellen. Häufige Medienpräsenz zieht aber auch Vergleiche, Tests und Stellungnahmen von Kunden nach sich. Wenn eine neue Produktgeneration schwächelt, ist der gute Ruf schnell beschädigt. Es gibt aber auch Fälle, wo der Absatz trotz guten Rufes, glänzender technischer Daten und ansprechenden Designs den eigenen Erwartungen hinterherhinkt. Antwort auf solche Fälle findet man oft in den Kundenempfehlungen, Bewertungen und Rezessionen auf einschlägigen Internetportalen. Beim genauen Durchlesen dieser Kundenmeinungen werden oft die schlechte Handhabung und die umständliche Bedienbarkeit bemängelt. Damit sind wir endgültig wieder bei Usability angekommen.

Weiße Ware

Gute Beispiele bieten Haushaltsgeräte, die tagtäglich im Gebrauch sind. Egal ob, Waschmaschine, Mikrowelle oder Spülmaschine – hier wird Alltagstauglichkeit und einfache Bedienbarkeit durch technische Finessen erschlagen. Wer nutzt schon alle vierzig Programme, die eine Waschmaschine bietet? Buntwäsche, Feinwäsche und vielleicht Kochwäsche genügen in neunundneunzig Prozent aller Fälle. Wozu dann fünf Knöpfe, zehn Tasten und ein kryptisches Display?
Wer probiert schon die zweihundert Rezepte einer Mikrowelle, die in einem dicken Buch zusammengefasst sind? Wenn Aufkochen, Aufwärmen und Auftauen unkompliziert zu bewerkstelligen sind, ist man in den meisten Fällen schon gut bedient und der Kunde ist auch zufrieden.

Braune Ware

Beste Beispiele, wie beim Marketing über technische Höchstleistungen die Benutzbarkeit oft vergessen wird, bieten Festplattenrekorder und Flachfernseher. Neu aus der Verpackung gepellt, frisch aufgestellt und dann folgt schon die erste Hürde: die richtigen Kabel, soweit vorhanden, möglichst in die richtigen Buchsen stecken. Geschafft. Jetzt vorsichtig einschalten und die Lieblingssender einstellen. Was da einige Hersteller ihren Kunden zumuten ist manchmal abenteuerlich. Verschachtelte Menüs mit unverständlichen Abkürzungen, dazu ein Handbuch voll von neuen Wortschöpfungen, verwirrenden Skizzen und Querverweisen. Man würde gerne bei den Entwicklern oder auch in der Marketingabteilung nachfragen, was sie sich dabei eigentlich gedacht haben, wenn überhaupt. Gut, die Installation und das Studium des Handbuchs werden nur einmal benötigt, hoffentlich, und dafür opfert man doch gerne ein Wochenende.

Nach der Installation kommt der Alltag, heißt oft, ein Kampf gegen die Fernbedienung. Bei den meisten Fernbedienungen sind in der Mitte, von vielen Knöpfen umgeben, vier große Pfeiltasten platziert. Diese werden aber nur selten benötigt. Funktionen, wie z. B. das Navigieren durch Programme, werden in ähnlichen Kontexten – Programmauswahl, Programminfo, Programmiermenü, Videotext oder EPS – durch verschiedene Tastenkombinationen bewerkstelligt. Fehlbedienung, Ärger und ein langer „Lernprozess“ sind damit garantiert. Sicher, so was soll einer frühen Demenz entgegenwirken, aber aus der Sicht der Usability ist es eine Katastrophe. Ein frustrierter Kunde wird sich bei der nächsten Anschaffung gerne bei der Konkurrenz umsehen. Zukünftig kommt ein Gerät von diesem Hersteller wohl nicht mehr so schnell ins Wohnzimmer.

Fazit: Überall wo Menschen und Märkte beteiligt sind, findet Usability statt. Der Verbraucher kauft vielleicht nur nach Preis und Design, aber er kauft die gleiche Marke nur dann wieder, wenn er zufrieden war. Ob man mit Usability neue Kunden gewinnt, treue Kunden stärker bindet, oder den Verbraucher zur Konkurrenz schickt, darf jeder selbst entscheiden.

Abhilfe: Usability schon beim Produktdesign berücksichtigen und als gutes Argument ins Marketing einbinden. Zufriedene Kunden machen die wertvollste Werbung, die Empfehlung an ihre Freunde.