Marketing vs. Usability?

1. Oktober 2013

Verursacht Usability nur zusĂ€tzliche Kosten oder kann durch Usability auch ein Mehrwert generiert werden? Usability muss schon beim Produktdesign berĂŒcksichtigen werden, denn Usability bietet einen Marktvorteil, der auch durch teuerste Werbung nicht aufgewogen werden kann!

Produkte und Dienstleistungen sollen sinnvollerweise so angeboten werden, dass die potentiellen KĂ€ufer, die Zielgruppe, dieses Angebot auch als wĂŒnschenswert wahrnehmen. Um die Zielgruppe zu erreichen gibt es vielfĂ€ltige Marketingkonzepte, die bereits bei Entwurf, Herstellung und Produktdesign eines Produktes oder einer Produktlinie greifen. SpĂ€ter rundet PrĂ€sentation, Werbung und letztendlich Evaluation ein gutes Marketingkonzept ab. Welchen Stellenwert hat Usability in diesem Entwicklungsprozess?

Gutes Marketing folgt immer (s)einem GeschĂ€ftsmodell. Sollen bunte Uhren an Kiddies vertrieben werden, wird man eine andere Strategie einschlagen als beim Anpreisen von Designerbekleidung. Eine neue Zahnpasta wird anders beworben als eine renommierte Limousine. FĂŒr welche GeschĂ€ftsmodelle und Marketingstrategien ist Usability nun sinnvoll und erreicht sogar einen Mehrwert? Dies wird anhand von einigen wenigen charakteristischen Beispielen beleuchtet.

Hit and run

Unter „Hit and run“-Strategie wird meist das Verramschen von KartoffelschĂ€lern, Klingeltönen, Apps und Ă€hnlicher Massenware im unteren Preissegment verstanden. Angeheizt durch marktschreierische Werbung wird bei diesem GeschĂ€ftsmodell schnelle Kohle durch Masse umgesetzt. Bei mangelndem Interesse an der Kundenzufriedenheit wird man Usability wohl nicht rentabel unterbringen können. Doch! Allerdings im negativen Sinne. Beispiel: Abo-Falle. Ein Kunde erwartet kostenlose Klingeltöne und gibt seine persönlichen Daten ein. Einige Tage spĂ€ter flattert eine verbindliche BestĂ€tigung eines neuen Abonnements in den Briefkasten. Die Erwartung des Verbrauchers ist mit Absicht getĂ€uscht worden. Dies wird durch viele Urteile zu Gunsten von Verbrauchern bestĂ€tigt.

Bannerwerbung

Statt des Endnutzers zahlen Dritte fĂŒr die angebotene Information oder Dienstleistung. Die Entlohnung erfolgt Ă€hnlich wie bei der Werbung in der Presse oder im Fernsehen anhand der Besucherzahlen. Es liegt also im Interesse des Dienstanbieters, ein breites Internetpublikum anzusprechen und auf seine Seiten zu locken. Die bevorzugte Marketingstrategie ist, auf der eigenen DomĂ€ne möglichst viele BeitrĂ€ge zu angebotenen Themen zu platzieren, um so Suchende auf eigene Seiten zu ziehen. Der Hintergedanke ist nicht nur die einmalige Nutzung des Angebotes, sondern dass dieser Dienstanbieter auch zukĂŒnftig bevorzugt wird und sogar an Freunde und Bekannte weiter empfohlen wird. Allerdings ist der Verbraucher ein scheues Reh. FĂŒhlt er sich durch viele Werbeeinblendungen gestört oder durch holprige Usability einer DomĂ€ne unwohl, so wechselt er zĂŒgig zur Konkurrenz und kommt nicht wieder.
Gutes Marketing hilft, neue Kunden zu gewinnen, aber fĂŒr lĂ€ngerfristige Kundenbindung ist geschmeidige Usability notwendig. Dann wird ein Angebot auch an Freunde weiter empfohlen.

Markentreue?

In vielen Sparten sind mit ausgeklĂŒgelten Marketingstrategien und erheblichen Werbeaufwand renommierte Marken etabliert worden. Bekannte Marken werden wiederum öfter in Presse, Funk und Fernsehen vorgestellt und besprochen. Dadurch wird ihr Bekanntheitsgrad noch weiter gefestigt. FĂŒr den Verbraucher sollen Prestige und die sichere Wahl – da kann man ja nichts falsch machen -, ein Alleistellungsmerkmal darstellen. HĂ€ufige MedienprĂ€senz zieht aber auch Vergleiche, Tests und Stellungnahmen von Kunden nach sich. Wenn eine neue Produktgeneration schwĂ€chelt, ist der gute Ruf schnell beschĂ€digt. Es gibt aber auch FĂ€lle, wo der Absatz trotz guten Rufes, glĂ€nzender technischer Daten und ansprechenden Designs den eigenen Erwartungen hinterherhinkt. Antwort auf solche FĂ€lle findet man oft in den Kundenempfehlungen, Bewertungen und Rezessionen auf einschlĂ€gigen Internetportalen. Beim genauen Durchlesen dieser Kundenmeinungen werden oft die schlechte Handhabung und die umstĂ€ndliche Bedienbarkeit bemĂ€ngelt. Damit sind wir endgĂŒltig wieder bei Usability angekommen.

Weiße Ware

Gute Beispiele bieten HaushaltsgerĂ€te, die tagtĂ€glich im Gebrauch sind. Egal ob, Waschmaschine, Mikrowelle oder SpĂŒlmaschine – hier wird Alltagstauglichkeit und einfache Bedienbarkeit durch technische Finessen erschlagen. Wer nutzt schon alle vierzig Programme, die eine Waschmaschine bietet? BuntwĂ€sche, FeinwĂ€sche und vielleicht KochwĂ€sche genĂŒgen in neunundneunzig Prozent aller FĂ€lle. Wozu dann fĂŒnf Knöpfe, zehn Tasten und ein kryptisches Display?
Wer probiert schon die zweihundert Rezepte einer Mikrowelle, die in einem dicken Buch zusammengefasst sind? Wenn Aufkochen, AufwÀrmen und Auftauen unkompliziert zu bewerkstelligen sind, ist man in den meisten FÀllen schon gut bedient und der Kunde ist auch zufrieden.

Braune Ware

Beste Beispiele, wie beim Marketing ĂŒber technische Höchstleistungen die Benutzbarkeit oft vergessen wird, bieten Festplattenrekorder und Flachfernseher. Neu aus der Verpackung gepellt, frisch aufgestellt und dann folgt schon die erste HĂŒrde: die richtigen Kabel, soweit vorhanden, möglichst in die richtigen Buchsen stecken. Geschafft. Jetzt vorsichtig einschalten und die Lieblingssender einstellen. Was da einige Hersteller ihren Kunden zumuten ist manchmal abenteuerlich. Verschachtelte MenĂŒs mit unverstĂ€ndlichen AbkĂŒrzungen, dazu ein Handbuch voll von neuen Wortschöpfungen, verwirrenden Skizzen und Querverweisen. Man wĂŒrde gerne bei den Entwicklern oder auch in der Marketingabteilung nachfragen, was sie sich dabei eigentlich gedacht haben, wenn ĂŒberhaupt. Gut, die Installation und das Studium des Handbuchs werden nur einmal benötigt, hoffentlich, und dafĂŒr opfert man doch gerne ein Wochenende.

Nach der Installation kommt der Alltag, heißt oft, ein Kampf gegen die Fernbedienung. Bei den meisten Fernbedienungen sind in der Mitte, von vielen Knöpfen umgeben, vier große Pfeiltasten platziert. Diese werden aber nur selten benötigt. Funktionen, wie z. B. das Navigieren durch Programme, werden in Ă€hnlichen Kontexten – Programmauswahl, Programminfo, ProgrammiermenĂŒ, Videotext oder EPS – durch verschiedene Tastenkombinationen bewerkstelligt. Fehlbedienung, Ärger und ein langer „Lernprozess“ sind damit garantiert. Sicher, so was soll einer frĂŒhen Demenz entgegenwirken, aber aus der Sicht der Usability ist es eine Katastrophe. Ein frustrierter Kunde wird sich bei der nĂ€chsten Anschaffung gerne bei der Konkurrenz umsehen. ZukĂŒnftig kommt ein GerĂ€t von diesem Hersteller wohl nicht mehr so schnell ins Wohnzimmer.

Fazit: Überall wo Menschen und MĂ€rkte beteiligt sind, findet Usability statt. Der Verbraucher kauft vielleicht nur nach Preis und Design, aber er kauft die gleiche Marke nur dann wieder, wenn er zufrieden war. Ob man mit Usability neue Kunden gewinnt, treue Kunden stĂ€rker bindet, oder den Verbraucher zur Konkurrenz schickt, darf jeder selbst entscheiden.

Abhilfe: Usability schon beim Produktdesign berĂŒcksichtigen und als gutes Argument ins Marketing einbinden. Zufriedene Kunden machen die wertvollste Werbung, die Empfehlung an ihre Freunde.

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