Die Kraft der Gedanken

14. September 2005

Weltweit arbeiten verschiedene Forschergruppen an der Entwicklung einer direkten Schnittstelle zwischen menschlichem Gehirn und Computer. Ziel ist die Schaffung einer Kommunikations- und Kontrollmöglichkeit, die allein über Gedanken und ohne körperliche Bewegungen funktioniert. Insbesondere für Menschen mit Lähmungen könnte dieses System die Bedienung und Steuerung von technischen Geräten ermöglichen.

Die Idee

Die grundlegende Idee des Brain-Computer Interfaces (BCI) besteht darin, dass Menschen Maschinen steuern, indem sie die Befehle lediglich denken und keine entsprechenden Bewegungen ausführen. Der entscheidende Unterschied zwischen einer solchen direkten Schnittstelle zwischen Computer und dem menschlichen Gehirn und anderen Mensch-Maschine-Schnittstellen ist die vollkommene Unabhängigkeit von einer muskulären Reaktion.

Allein über die durch Gedanken erzeugte Aktivität des Gehirns soll eine alternative Kommunikations- und Kontrollmöglichkeit für Computer geschaffen werden. Beispielsweise die Vorstellung einer Bewegung der rechten oder der linken Hand könnte dann zur Auswahl zwischen zwei Alternativen genutzt werden.

Biologische Grundlagen

Die Entwickler der Gehirn-Computer-Schnittstelle machen sich dabei den biologischen Umstand zu Nutze, dass sich bereits kurz vor der eigentlichen Bewegung das so genannte Bereitschaftspotential (BP) aufbaut. In diesem Potential wird die vor-motorische Planung von willkürlichen Bewegungen sichtbar.
Auch wenn eine Bewegung nicht ausgeführt wird, zeigt sich eine entsprechende Veränderung der Aktivität des Gehirns in den beteiligten Arealen. So reicht schon die mentale Vorstellung einer Verhaltensweise für eine Veränderung der Hirnaktivität aus. Ganz ohne dass es einer motorischen Ausführung bedarf, kann sich also eine Verhaltensweise in den Hirnströmen widerspiegeln. Unterschiedliche mentale Vorstellungen produzieren verschiedene Muster von Hirnsignalen.

Allerdings produziert das menschliche Gehirn ständig ein diffuses Gemisch von Informationen. Aus diesem Gemisch müssen zunächst die relevanten Signale herausgefiltert werden. Außerdem müssen diese Signale dann auch noch eindeutig einem technischen Steuerungssignal zugeordnet werden.

Technische Umsetzung

Die elektrische Aktivität des Gehirns lässt sich mittels an der Kopfhaut befestigten Elektroden registrieren. Meistens wird die Gehirnaktivität dabei in Form des Elektroenzephalogramms (EEG) aufgezeichnet. Das EEG bietet nach Meinung der vieler Forscher in diesem Bereich einige Vorteile gegenüber anderen Messmethoden.
Die von den Elektroden gemessenen Hirnströme werden anschließend verstärkt und an einen Computer weitergeleitet. Dieser setzt die empfangenen Signale schließlich in technische Steuerungssignale um. Zeitlich ist der Computer bei der Auswertung und Umsetzung der Signale gegenüber dem Menschen klar im Vorteil. Die normale Weiterleitung von Signalen des Gehirns an den menschlichen Muskelapparat erfolgt verglichen mit den heutigen Möglichkeiten eines Computers eher langsam.

Erlernen der Steuerung

Zunächst müssen Benutzer und Computer aneinander angepasst werden, damit eine korrekte Umsetzung der Befehle möglich wird. Die Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer kann dabei entweder computer- oder benutzergesteuert gestaltet werden.
Im ersten Fall gibt der Computer vor, wann und wie die Vorstellung eines Befehls erfolgen soll. Momentan müssen Benutzer dafür eine mehrwöchige Trainingsphase durchlaufen. Sie erlernen dabei die Steuerung ihrer eigenen Hirnaktivität, damit ihre mentalen Befehle vom System richtig erkannt und umgesetzt werden können.
Wesentlich einfacher für den Benutzer ist es hingegen, wenn er selbst entscheiden kann, wann und wie er sich einen Befehl vorstellt. In diesem Fall muss der Computer in einem Trainingsprozess erlernen, aus den Veränderungen im Hirnaktivitätsmuster eines bestimmten Benutzers den entsprechenden Befehl herauszulesen. Solche benutzergesteuerten Schnittstellen sind in der Entwicklung komplizierter, erleichtern dem Benutzer die Bedienung allerdings erheblich.

Anwendungsbereiche

Eine große Zielgruppe für diese Interaktionsform könnten nach der Ansicht von Forschern vor allem Menschen mit körperlichen Krankheiten und Behinderungen sein. Beispielsweise für die Bedienung von Computern reichen die Ideen von einer Bewegung des Cursors und der Möglichkeit der Auswahl zwischen Alternativen bis hin zu einer „mentalen Schreibmaschine“. Auch andere technische Geräte ließen sich mit dem Computer verbinden und auf diese Art und Weise steuern. Weitere Ãœberlegungen zur Anwendung beschäftigen sich mit einer Steuerung von Prothesen oder einer Ãœberbrückung der gestörten Verbindung zwischen Gehirn und Muskeln bei Querschnittsgelähmten.
Aber auch für die Automobilindustrie könnte diese Technik beispielsweise für den Insassenschutz interessant sein. Für die Unterhaltungsindustrie sehen einige Forscher die Möglichkeit, gänzlich neuartige Computerspiele zu entwickeln.

Fazit

Die Forschungsbemühungen zur Entwicklung von Brain-Computer Interfaces haben in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Weltweit arbeiten zurzeit mehrere interdisziplinäre Forschergruppen an unterschiedlichen Projekten in diesem Bereich. Insgesamt erscheinen die bisherigen Ansätze recht viel versprechend. Allerdings warnen einige Forscher vor übersteigerten Erwartungen an diese Technik, da das Erkennen von Befehlen zurzeit nur grob und ungenau gelingt. Es sei fraglich, ob und wann solche nicht-invasive Methoden in der Lage sein werden, auch feine Unterschiede in der Gehirnaktivität richtig zu erkennen und zu deuten.

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