Remote Usability Testing: Eine Alternative?

11. August 2008

In der Praxis werden Usability-Experten häufig vor die Herausforderung gestellt, zur Sicherstellung der Usability Benutzungstests durchführen zu müssen, die entsprechenden Zielgruppenvertreter jedoch nur schwer mit einem angemessenen Zeit- und Kostenaufwand erreichbar sind, da sie beispielsweise sehr weit im Land verstreut leben. In diesen Fällen wünschen sich Usability-Experten eine Möglichkeit, mit einem geringeren Aufwand valide Tests mit Benutzern durchführen zu können. Eine Möglichkeit stellt hier das Remote Usability-Testing dar, wie eine Studie von Sandra Burger und Prof. Michael Burmester belegt.

In dieser Studie wurde untersucht, ob es möglich ist, mit Hilfe einer Remote Usability-Testing Variante eine dem Labortest ähnliche und damit vergleichbar valide Testsituation zu schaffen. Weiterhin wurde untersucht, ob neben online verfügbaren Testobjekten auch mobile Endgeräte und Papier-Prototypen getestet werden können.

Remote Usability Testing

Beim Remote Usability Testing können die Testpersonen anders als bei einem Test im Labor, von zu Hause oder von ihrem Arbeitsplatz aus teilnehmen, da ein solcher Test über das Internet stattfindet. Bei Remote-Usability-Tests wird zwischen zwei Arten unterschieden: Synchronen (Testleiter und Testperson sind zur gleichen Zeit an einem anderen Ort, Durchführung erfolgt mit Anleitung durch den Testleiter) und asynchronen (Test ist unabhängig von Zeit und Ort und wird ohne Anleitung durchgeführt) Tests.

Methodisches Vorgehen

In der beschriebenen Studie wurde ein synchroner Remote-Usability-Test durchgeführt. Hierbei wurde die Software „vitero“ eingesetzt, die häufig für Schulungen über das Internet verwendet wird. Wichtig für die Beobachtung der Testperson ist die Funktion „Application Sharing“, über die eine virtuelle Maus eingeblendet werden kann. So kann der Versuchsleiter nachvollziehen, wie der Benutzer navigiert. Zusätzlich wird eine Audiokommunikation über Headsets und damit der Einsatz der Methode des Lauten Denkens ermöglicht. Weiterhin können alle Daten aufgezeichnet werden.

Bei den Testobjekten handelte es sich um

  • eine Website,
  • einen Power-Point-Prototoyp (Anzeige auf dem Bildschirm des Benutzers; keine aktiven Links),
  • einen Papier-Prototyp (Screenshots der zu testenden Website mit den passenden Drop-Down-Menüs werden fotografiert und dem Benutzer auf dem Bildschirm dargestellt).

Pro Testobjekt wurden zwei Tests mit sechs Teilnehmern durchgeführt. Im Anschluss an die Tests wurden die Testpersonen zu ihren Eindrücken während der Tests befragt.

Ergebnisse der Studie

Andere Studien zum Remote-Usability-Testing belegen (z. B. Brush et al., 2004 oder Thompson et al. 2004), dass sich durch Remote-Tests im Vergleich zu Labor-Tests vergleichbare Ergebnisse erzielen lassen. In manchen Fällen konnten mit Hilfe der Remote Tests sogar mehr Usability-Probleme aufgedeckt werden, als in Labor-Tests. Weiterhin zeigte sich, dass die Teilnehmer die Remote-Tests weitgehend positiv bewerteten und die Tests als wenig anstrengend empfanden. Diese Befunde konnten auch in der vorliegenden Studie bestätigt werden.

Ferner konnte gezeigt werden, dass Remote-Tests mit einer guten Ergebnisqualität und wenig Aufwand und Anstrengung von Seiten des Benutzers nicht nur für Websites oder fertige Software durchgeführt werden können, sondern auch mit Power-Point- und Papier-Prototypen.

Es zeigte sich ferner, dass sich die Software „vitero“ insgesamt gut für die Durchführung solcher Remote-Tests eignet, da sie leicht auch von ungeübten Testpersonen bedient werden kann und zudem eine umfassende Kommunikation der Testleiter mit den Testpersonen über die Anzeige der virtuellen Maus sowie der Audioverbindung ermöglicht.

Allerdings ist anzumerken, dass die „vitero“-Software noch Optimierungspotential hinsichtlich des Einsatzes für Remote-Usability-Tests aufweist. So haben manche Benutzer Schwierigkeiten bei der Steuerung der virtuellen Maus. Zudem wird der Testfluss bei den Tests mit dem Power-Point-Prototyp durch die mehrfach notwendige Übergabe der virtuellen Maus an den Versuchsleiter gestört. Gleiches gilt für die relativ langen Reaktionszeiten bis zum Aufbau der einzelnen Bilder des Papier-Prototyps.

Originaltitel: Remote Usability-Testing mit dem virtual team room vitero
Autor(en): Burger, S., Burmester, M.
Journal: Usability Professionals 2007 – Berichtband des fünften Workshops des German Chapters der Usability Professionals Association e. V.
Ausgabe: 5
Seiten: 135-140

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