Usability: Eine erste Einführung

18. März 2005

Bitte stellen Sie sich vor, Sie möchten die neueste DVD von Bruce Willis kaufen. Sie gehen deswegen in ein DVD-Geschäft und fragen den Verkäufer:

Sie: Guten Tag, ich hätte gerne die neueste DVD von Brus Willis.
Verkäufer: Tja, wissen Sie denn wie der geschrieben wird?
Sie: Ich glaube B-R-U-S W-I-L-L-I-S
Verkäufer: Tut mir leid, unter diesem Namen haben wir keine DVD im Sortiment.

oder anders …
Sie: Guten Tag, ich hätte gerne die neueste DVD von Bruce Willis.
Verkäufer: Ach, die Neueste wollen Sie? Tut mir Leid, in dem Regal da hinten stehen zwar alle Filme von Bruce Willis, aber die sind nicht nach Erscheinungsdatum sortiert. Das müssen Sie schon selber schauen.

Solch ein Verkaufsgespräch ist selbstverständlich im DVD-Laden bei Ihnen um die Ecke nicht vorstellbar, aber trauriger Alltag im Internet. In einem Zeitalter, in dem Menschen bereits zum Mond geflogen sind, ist es nicht möglich in einem Online-Shop die neueste DVD von Bruce Willis zu bestellen. Es sei denn, man weiß, wie der Darsteller genau geschrieben wird und man hat die Zeit und Muße auf eigene Faust nach der Neusten zu fanden.

Warum ist das so? Dafür gibt es eine klare Antwort: Wegen der schlechten Usability der Shops. Scheinbar hat kein Online-Shop-Betreiber je versucht zu verstehen, wie Menschen DVDs suchen und kaufen und seinen elektronischen Laden entsprechend gestaltet. Aber nicht nur das Internet leidet an diesen Usability-Mangelerscheinungen. Fast jedes Werkzeug unseres Alltages, egal ob Handy, Videorekorder oder die Bürosoftware, weist – milde ausgedrückt – „Optimierungspotential hinsichtlich seiner Benutzerfreundlichkeit“ auf.

Usability ist die Disziplin, die sich mit der benutzerfreundlichen Gestaltung von interaktiven Produkten beschäftigt. Es gibt vielfältige Ansätze zur Begriffsbestimmung der Usability. Deren Diskussion würde hier aber den Rahmen sprengen. Deswegen möchte ich Ihnen gerne die bekannteste und international anerkannte Definition von Usability anhand eines Beispiels näher bringen.

Wattestäbchen Bitte stellen Sie sich vor, Ihr täglicher Job ist das Öffnen von Bierflaschen. Sozusagen im Akkord. Sie wollen nun ein Werkzeug anschaffen, welches Sie bei dieser Arbeit unterstützt. Ich bin ein Handelsvertreter für solche Werkzeuge und biete Ihnen etwas an, dass Sie unter dem Begriff „Wattestäbchen“ kennen. Natürlich würden Sie mir als erfahrener Bierflaschenöffner diesen Gegenstand niemals abkaufen, denn der Effekt „Flasche offen“ ist damit einfach nicht erreichbar. Das „Wattestäbchen“-Ding ist also völlig ineffektiv. Das sehen Sie sofort.

Nun gut. Ich merke, Sie haben Ahnung und biete Ihnen als nächstes ein Ding an, das landläufig als „Feuerzeug“ bezeichnet wird. Die Hälfte von Ihnen wird an dieser Stelle wahrscheinlich ins Grübeln kommen und versucht sein, mir das Feuerzeug abzukaufen. Warum eigentlich nicht, eine Flasche kann man damit grundsätzlich öffnen und ein Feuerzeug ist günstig in der Anschaffung.

Feuerzeuge Aber haben Sie auch an den notwendigen Schulungsaufwand für Ihre Mitarbeiter und an die Verletzungsgefahr bei den ersten Versuchen gedacht? Zwar lässt sich der Effekt „Flasche offen“ mit dem Feuerzeug erzielen, aber was ist mit den Ressourcen? Schulungsgelder, Einarbeitungsprobleme, Produktivitätseinbußen sind alles Kosten, die auf Sie zukommen würden. Mit einem Wort, das Feuerzeug ist ineffizient. Und außerdem ineffektiv für einarmige Benutzer, falls Sie solche als Mitarbeiter haben.

Flaschenöffner Okay, Sie lehnen ab. Sehr gut, denn ich hab noch etwas viel Besseres. Ein ganz hervorragendes Werkzeug, das Sie alle als „Flaschenöffner“ kennen. Auch wenn es tausende verschiedene Ausprägungen gibt, der Effekt „Flasche offen“ ist mit allen erreichbar. Und dies sogar auch noch effizient, denn niemand muss dafür großartig trainieren. Erklärt sich ja auch fast von selbst.

Obwohl der Flaschenöffner in der Anschaffung preislich über dem Feuerzeug liegt, kommt er Sie insgesamt wesentlich günstiger zu stehen. Ihre höhere Anfangsinvestition rechnet sich auf längere Sicht durch Einsparungen bei den Schulungskosten und höhere Produktivität. Zudem haben Sie und Ihre Mitarbeiter noch eine positive Einstellung gegenüber der Nutzung des Flaschenöffners – sprich, Sie sind mit dem Werkzeug zufrieden.

Und genauso steht es in der ISO 9241-11 „Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit“ geschrieben: Usability ist „das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufrieden stellend zu erreichen.“ Hierbei ist die „Effektivität“ definiert durch die „Genauigkeit und Vollständigkeit mit der Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen.“ Die „Effizienz“ ist „der im Verhältnis zur Genauigkeit und Vollständigkeit eingesetzte Aufwand.“ „Zufriedenstellung“ bedeutet „die Freiheit von Beeinträchtigung und positive Einstellung gegenüber der Nutzung des Produktes.“

Aus meiner Sicht ist die wichtigste Erkenntnis die Sie über Usability mitnehmen sollten, dass man kein Werkzeug entwickeln oder beurteilen kann, ohne genau verstanden zu haben, wer damit was machen möchte.

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