Cross-Selling-Angebote im Internet – fünf Internet-Versandhändler im Test

27. Februar 2009

Cross-Selling-Angebote – jeder, der öfter im Internet einkauft, kennt sie. Ihre Funktion besteht darin Kunden auf ergänzende, komplementäre Produkte aufmerksam zu machen. Sie unterscheiden sich in ihrer Aufmachung, Platzierung und Größe. Einige Internetseiten werben lediglich mit wenigen Angeboten, andere hingegen werben offensiver und versuchen Kunden mit einer Vielzahl von Anzeigen zu locken. Doch was ist die sinnvollere Strategie?

Das Kompetenzzentrum des Fraunhofer-Instituts FIT hat fünf verschiedene Internet-Versandhändler (Amazon, H&M, Lenscare, Otto und Tchibo) mit unterschiedlichen Cross-Selling-Angeboten genauer unter die Lupe genommen und mittels einer Eyetracking-Analyse versucht, der Antwort auf die Frage wie Cross-Selling-Anzeigen am besten wirken etwas näher zu kommen.

Methode

Insgesamt nahmen 22 Testpersonen an dieser Marketing-Studie teil. Jeder Teilnehmer musste fünf Szenarien durchlaufen – für jeden Online Shop ein Szenario – bei denen die Aufgabe darin bestand ein bestimmtes (vorgegebenes) Produkt zu erwerben. Die Aufgaben waren bewusst so formuliert, dass die Testpersonen keinerlei Hinweis darüber hatten, dass das eigentliche Ziel der Benutzungstests darin bestand, zu untersuchen, ob Cross-Selling-Produkte wahrgenommen werden oder nicht. Die Szenarien für die zu testenden Online Shops wurden so ähnlich wie möglich gestaltet, um Unterschiede, die aufgrund der Aufgabenstellung entstehen könnten, zu vermeiden.

Während des Tests wurden mittels eines Eyetracking-Geräts die Augenbewegungen der Testpersonen aufgezeichnet, um festzustellen welche Bereiche – insbesondere die Cross-Selling-Angebote – auf der Webseite fixiert wurden. Die genaue Dauer der Fixation konnte ebenfalls festgestellt werden.

Im Anschluss an den Durchlauf der Szenarien wurde anhand eines kurzen Fragebogens auf persönliche Daten der Testpersonen eingegangen, sowie mittels der Recall-Technik (Wiedergabe) erfasst, ob und an welche der Cross-Selling-Angebote sich die Teilnehmer (explizit) erinnern konnten.

Auswertung des Fragebogens

An der Marketingstudie haben 15 Männer und 7 Frauen teilgenommen. Die jüngste Testperson war 21 Jahre und die älteste 54 Jahre alt, der Mittelwert lag bei 32,9 Jahren. Erfreulich für die Anbieter von Shopping-Angeboten im Internet dürfte sein, dass alle 22 Testpersonen das Online-Shopping-Angebot nutzen. Die Antworten auf die Frage, wie häufig Online Shopping genutzt wird, verteilten sich dabei recht gleichmäßig; 8 Personen gaben an, dass sie das Angebot oft nutzten und jeweils 7 Personen nutzen es gelegentlich beziehungsweise selten. Auch wurde jede der getesteten Seiten von mindestens einem Teilnehmer bereits schon einmal vor der Untersuchung besucht. Hierbei bildete H&M mit lediglich einem Besucher das Schlusslicht, während alle Teilnehmer schon einmal bei Amazon eingekauft haben.

Abbildung 1

Insgesamt 16 von 22 Teilnehmern waren während der Untersuchung Cross-Selling-Anzeigen aufgefallen. Auch hier verbucht Amazon den größten Erfolg, denn immerhin 13 Personen konnten sich an die Anzeigen (explizit) erinnern. Bei Otto und Lenscare waren es jeweils fünf, H&M und Tchibo wurden lediglich zwei Mal erinnert.

Abbildung 2

Abbildung 2: Amazon wirbt gleich mit drei Cross-Selling-Anzeigen und hat damit den größten Erfolg. Die Cross-Selling-Anzeigen sind durch die grünen Flächen gekennzeichnet.

Auswertung der Eyetracking-Analyse

Die Aufnahmen mit dem Eyetracking-Gerät zeigten, dass die Testpersonen sich nicht nur am ehesten an die Cross-Selling-Anzeigen auf der Internetseite von Amazon erinnerten sondern auch, dass hier die Cross-Selling-Angebote am meisten wahrgenommen wurden; 13 Personen fixierten die insgesamt 3 Anzeigen auf dieser Seite mindestens ein Mal. Wenn man bedenkt, dass sich alle 13 Personen auch explizit an die Anzeigen erinnern konnten, lässt dies eine gute Wirkung der Anzeigen vermuten.

Die Wirkung der Cross-Selling-Angebote bei dem Versandhändler H&M schnitt deutlich schlechter ab. Die Eyetracking-Aufzeichnungen zeigten, dass zwar 12 Personen die Anzeigen fixiert haben, sich jedoch lediglich zwei Personen an die Angebote erinnern konnten. Wer sich die Website von H&M einmal genauer ansieht wird feststellen können, dass H&M zwar viele zusätzliche Produkte mittels Cross-Selling bewirbt, dies jedoch – zumindest in dieser Marketing-Studie – keine Auswirkung auf die Erinnerbarkeit der Kunden hat. Dies lässt vermuten, dass H&M hier viel Potential verschenkt.

Eine kleine Ăśberraschung hinsichtlich der Wirkung der Anzeigen bietet Lenscare, denn hier erinnerten sich genau wie bei Otto fĂĽnf Personen an die Cross-Selling-Angebote. Bei Otto fixierten jedoch 11 Personen die Cross-Selling-Anzeigen, bei Lenscare waren es lediglich neun. Das erstaunliche dabei ist, dass auf der Seite von Lenscare die Cross-Selling-Angebote nur mittels Text beworben werden. Bei Otto handelt es sich – genau wie bei den Seiten von Amazon, H&M und Tchibo – um Bilder mit Text.

Abbildung 3

Abbildung 3: Die Cross-Selling-Anzeigen von Lenscare (gekennzeichnet durch die grünen Flächen) bestehen nicht aus Bildern sondern aus Text, trotzdem wurden sie von der Hälfte der Teilnehmer fixiert.

Ein ernĂĽchterndes Ergebnis hinsichtlich ihrer Cross-Selling-Angebote erlangt der Internet-Versandhandel von Tchibo; lediglich zwei Personen haben die Cross-Selling-Anzeigen ĂĽberhaupt wahrgenommen. Erfreulich dabei ist zumindest, dass sich beide Teilnehmer an die Anzeige erinnerten.

Eine mögliche Erklärung fĂĽr dieses Ergebnis ist leicht zu finden, denn es gibt ein Merkmal, das die Cross-Selling-Anzeigen von Tchibo von denen der anderen vier getesteten Seiten unterscheidet: die Position. Während alle anderen getesteten Anbieter ihre Cross-Selling-Werbung im mittleren Bereich der Webseite positionieren, befinden sich die Anzeigen auf der Webseite von Tchibo am rechten Seitenrand. Wie die Eyetracking-Aufzeichnungen gezeigt haben, werden diese Bereiche, die sich im rechten Bereich einer Webseite befinden – und somit auĂźerhalb des Hauptlesebereichs – nicht wahrgenommen.

Abbildung 4

Abbildung 3: Die Cross-Selling-Anzeigen von Tchibo befinden sich am rechten Rand (vgl. linke Abbildung, grüne Flächen). Die rechte Abbildung verdeutlicht, dass die Anzeigen kaum wahrgenommen werden, da der Blick vom Großteil der Teilnehmer hauptsächlich im mittleren Bereich der Website liegt (vgl. helle Fläche).

Kritik, Fazit und Ausblick

Wie bei allen (Marketing)Studien im Labor ist zu beachten, dass die Teilnehmer häufig nervös und unsicher sind. Diese Unsicherheit und das Bedürfnis die Szenarien so gut wie möglich zu bewältigen, erzeugen sicherlich keine Atmosphäre, in der die Testpersonen sich mit viel Ruhe auf der Internetseite umsehen. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass mit viel Zeit und außerhalb einer gefühlten Testsituation mehr Personen die Cross-Selling-Anzeigen wahrnehmen.

Die Szenarien wurden so konstruiert, dass sie einer Situation ähneln sollten, in der die Person genau weiß, was sie kaufen möchte. Die Eyetracking-Aufnahmen haben gezeigt, dass genau in einer solchen Situation im besten Fall etwas mehr als die Hälfte der Personen die Cross-Selling-Anzeigen wahrnehmen und im schlechtesten Fall weniger als ein Viertel.

Auch die Erinnerbarkeit, die wahrscheinlich mit der Wirkung der Anzeigen zusammenhängt, variiert stark. Der Internet-Versandhandel Amazon scheint von den fünf getesteten Seiten die Kunst des Cross-Sellings am ehesten zu beherrschen. Insbesondere der Händler Tchibo sollte jedoch sein Konzept überdenken, um mittels Cross-Selling-Werbung das Interesse der Kunden an ergänzenden Produkten zu erhöhen.

In Zukunft sollte durch weitere Studien geklärt werden, inwiefern die Cross-Selling-Angebote in anderen Situationen wahrgenommen und erinnert werden.

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