Das DATech-Prüfhandbuch Gebrauchstauglichkeit: Ein Verfahren zur Überprüfung der Normkonformität mit DIN EN ISO 9241-10, -11

18. März 2005

Wer heutzutage Produkte kauft, setzt voraus, dass diese allen geltenden Normen für eben diese Produkte entsprechen. Man stelle sich nur vor, der neue Geschirrspüler würde nicht unter die Arbeitsplatte in der Küche passen, da der Geschirrspüler einen Zentimeter zu hoch ist. Undenkbar.

Software ist anders. Man muss bei den meisten Softwareprodukten nicht lange suchen – wenn überhaupt – um auf unglaubliche Probleme zu stoßen, wie zum Beispiel:

  • Viel zu viele Schritte sind erforderlich, um zum Ziel zu gelangen
  • Benötigte Informationen sind einfach nicht zu finden
  • Unerwartete Systemreaktionen führen vom Arbeitsziel weg

Die Liste der Nutzungsprobleme ließe sich beliebig verlängern. Doch wie lässt sich nachweisen, ob ein entdecktes Problem wirklich der Software zuzuschreiben ist und nicht „dem dummen Benutzer“?

Normen für Software

Auch für Software gibt es Normen. In Hinblick auf die Vermeidung von Nutzungsproblemen wurde die Normenreihe DIN EN ISO 9241 veröffentlicht, die insgesamt 17 Teile hat. Die Teile 10-17 beziehen sich primär auf Software. Über die Normenreihe DIN EN ISO 9241 hinaus gibt es noch weitere Normen für Software, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Alle relevanten Normen kann man auf einer CD-ROM beim Beuth-Verlag erwerben.

Warum existieren Prüfverfahren zu Normen?

Usability-Normen unterscheiden sich von technischen Normen dahingehend, dass die meisten der in den Usability-Normen enthaltenen Empfehlungen im „Kontext der Nutzung“ anzuwenden sind. Ohne ein definiertes Prüfverfahren wird die Prüfung auf Basis einer Usability-Norm zur „Beliebigkeit“. Ein definiertes Prüfverfahren ermöglicht unterschiedlichen Prüfern die Ermittlung von übereinstimmenden und reproduzierbaren Prüfergebnissen. Somit ist es wichtig, zwischen der „Prüfgrundlage“ (der Norm selbst) und dem eingesetzten „Prüfverfahren“ zu unterscheiden.

Das hier beschriebene Prüfverfahren wurde durch die Deutsche Akkreditierungsstelle Technik e.V. (DATech) erarbeitet und dient zur Konformitätsprüfung mit den Normen DIN EN ISO 9241-10/-11 und DIN EN ISO 13407. Die Prüfverfahren der DATech zielen auf Produktverbesserung (ISO 9241-10/-11) und Prozessoptimierung (DIN EN ISO 13407) ab und werden verbindlich von akkreditierten Prüfstellen angewendet. Die DATech-Prüfverfahren erheben keinen Anspruch auf „Alleingültigkeit“. Die Prüfverfahren zeigen vielmehr einen geeigneten Weg auf, der sich in der Praxis der Konformitätsprüfung bewährt hat.

Ablauf einer Überprüfung der Normkonformität eines Softwareprodukts mit DIN EN ISO 9241-10, -11

Abbildung 1 illustriert den grundsätzlichen Ablauf der Gebrauchstauglichkeitsprüfung.

DATech Verfahren

Abbildung 1: Ablauf einer Überprüfung der Normkonformität eines Softwareprodukts
mit DIN EN ISO 9241-10, -11

(Abbildung übernommen aus DATech-Prüfhandbuch Gebrauchstauglichkeit, Seite 28)

Zunächst muss der Nutzungskontext der zu unterstützenden Benutzer in Hinblick auf deren Aufgaben identifiziert und beschrieben werden. Es hat sich bewährt Nutzungskontexte in Form von „Kontextszenarien“ zu beschreiben, die auf Basis von – typisch 5 – Kontext-Interviews mit tatsächlichen Benutzern erhoben werden. Das Datech-Prüfverfahren beschreibt genau, was Kontext-Szenarien sind und wie diese erstellt werden. Auf Basis der Kontextszenarien werden dann unter Zuhilfenahme der DIN EN ISO 9241-10 Prüfkriterien ermittelt (siehe Abbildung 2), deren Einhaltung im Rahmen einer Inspektion sowie durch teilnehmende Beobachtungen von Benutzern an deren Arbeitsplatz überprüft wird.

DATech Prüfkriterien

Abbildung 2: Ermittlung von Prüfkriterien für die Überprüfung der Normkonformität

Inspektion heißt, dass am Produkt zunächst festgestellt wird, ob bestimmte Prüfkriterien grundsätzlich „nicht erfüllt“ sind, da z.B. eine passende Funktion zur Erfüllung des Prüfkriteriums überhaupt nicht vorhanden ist. In solchen Fällen braucht der Prüfer nicht noch unter Zuhilfenahme von Benutzern herausfinden, was „ohnehin nicht geht“.

Nicht alle Nutzungsprobleme lassen sich im Rahmen von Inspektionen durch den Prüfer identifizieren. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, teilnehmende Beobachtungen mit – typisch 3-5 – Benutzern an deren Arbeitsplatz vorzunehmen. Hier sollen Nutzungsprobleme entdeckt und in Form von „Critical-Incident-Szenarien“ aufgeschrieben werden. Man könnte sich fragen „Warum nicht gleich zum Benutzer gehen und nachsehen, welche Probleme es gibt?“. Nun, es lässt sich immer wieder feststellen, dass ganze Gruppen von Nutzungsproblemen, die bei teilnehmenden Beobachtungen festgestellt wurden, sich allesamt auf ein und dasselbe Prüfkriterium beziehen, das bereits im Vorfeld identifiziert wurde. Nur so kann dann der Prüfer bei der teilnehmenden Beobachtung die richtigen Schlüsse aus der Beobachtung selbst ziehen, um die gezielte Behebung des Problems nach der Prüfung vorzubereiten.

Die Rolle der DIN EN ISO 9241-11 bei der Konformitätsprüfung

Für jede identifizierte Abweichung von einem Prüfkriterium wird im Rahmen der Prüfung festgestellt, ob sich die identifizierte Abweichung als bedeutsames Hindernis für den Benutzer erweist. Nur bedeutsame Abweichungen werden im Prüfbericht als Nicht-Konformitäten bewertet. Um festzustellen, ob eine identifizierte Abweichung als Nicht-Konformität bewertet wird, wird die DIN EN ISO 9241-11 zur Erhärtungsprüfung hinzugezogen.

Im Rahmen der Erhärtungsprüfung wird für jede Abweichung festgestellt wie bedeutsam die grundsätzlichen Gebrauchstauglichkeits-Faktoren der DIN EN ISO 9241-11 verletzt wurden. Die grundsätzlichen Gebrauchstauglichkeitsfaktoren der DIN EN ISO 9241-11 sind:

  • Effektivität
    (Wird ein erforderliches Arbeitsziel mit dem Softwareprodukt überhaupt erreicht?)
  • Effizienz
    (Wie aufwändig wird das erforderliche Arbeitsziel mit dem Softwareprodukt erreicht?)
  • Zufriedenstellung
    (Wie gross ist die subjektive Beeinträchtigung aus Sicht der Benutzer hierbei?)

Die Rolle der DIN EN ISO 9241, Teile 12 – 17 bei der Konformitätsprüfung

Immer wieder wird gefragt, inwieweit die DIN EN ISO 9241, Teile 12 – 17 bei der Prüfung mit dem DATech-Prüfhandbuch Gebrauchstauglichkeit berücksichtigt werden. Nun, um es ganz praktisch zu sagen: Soweit bei der teilnehmenden Beobachtung identifizierte Nutzungsprobleme sich aufgrund von Abweichungen der Teile 12-17 der DIN EN ISO 9241 niederschlagen, werden diese zwangsläufig identifiziert. Es ist jedoch ein Irrglaube, im Rahmen einer Konformitätsprüfung ökonomisch die Einhaltung aller etwa 500 Empfehlungen der DIN EN ISO 924, Teile 12 – 17 überprüfen zu können. Eine solche Prüfung zu Konformitätszwecken erweist sich als nicht praxistauglich. Nichts desto trotz werden bedeutsame Abweichungen auch von den Teilen 12-17 der DIN EN ISO 9241 während der Prüfung mit dem DATech-Prüfhandbuch Gebrauchstauglichkeit identifiziert.

Wo kann man das Prüfhandbuch Gebrauchstauglichkeit erwerben?

Das Prüfhandbuch Gebrauchstauglichkeit kann man in seiner aktuellen Fassung von der Website der Deutschen Akkreditierungsstelle Technik e.V. kostenlos als PDF-Dokument herunterladen.

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