Erwartungskonformität

18. März 2005

In der Serie der Vorstellung der Grundsätze der Dialoggestaltung aus DIN EN ISO 9241-10 erläutern wir in diesem Beitrag den Grundsatz der „Erwartungskonformität“.

Definition

Erwartungskonformität ist in DIN EN ISO 9241-10:1995 wie folgt definiert:

„Ein Dialog ist erwartungskonform, wenn er konsistent ist und den Merkmalen des Benutzers entspricht, zum Beispiel seinen Kenntnissen aus dem Arbeitsgebiet und seinen Erfahrungen sowie den allgemein anerkannten Konventionen.“

Ein Produkt kann nur dann erwartungskonform sein, wenn die Erwartungen der Benutzer an das Produkt bei der Entwicklung des Produktes bekannt sind, beziehungsweise vorhergesagt werden können. Doch worauf stützen sich Erwartungen von Benutzern und wie kann man diese vorhersagen?

Nun, im Wesentlichen beruht unsere Erwartungshaltung an die Nutzung von interaktiven Produkten auf zwei Grundlagen:

  1. Die Erwartung des Benutzers aufgrund der Arbeitsaufgabe, die er ausführt
  2. Die Erwartung des Benutzers aufgrund der Erfahrung die er mit anderen Produkten gemacht hat („allgemein anerkannten Konventionen“)

Unter „allgemein anerkannten Konventionen“ versteht man für Software zum einen die plattformunabhängigen Empfehlungen der DIN EN ISO 9241, Teile 10-17 und zum anderen die Styleguides der Hersteller.

Erwartungshaltung aufgrund der Arbeitsaufgabe“ – Ein Praxisbeispiel

Wenn ein Softwarebenutzer eine Datei komprimieren muss, um sie passend für das Abspeichern auf einer Diskette zu machen, dann erwartet er an einer hierfür entwickelten Software einen Menüpunkt „Komprimieren“ und/oder ein Werkzeug „Komprimieren“ auf der Werkzeugleiste des Produkts.

Diese Erwartungshaltung lässt sich empirisch nachweisen (Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kontakt mit „WinZip“?). Interessanterweise ist das Werkzeug „Komprimieren“ beim marktführenden Programm „WinZip“ nicht zu finden (siehe Abbildung 1).

Da alle Nutzer bei WinZip ein Werkzeug mit dem Titel „Komprimieren“ erwarten, dieses aber nicht auffindbar ist, befriedigt Winzip für diesen elementaren Dialogschritt nicht die Erwartungshaltung aufgrund der Arbeitsaufgabe.

Beispiel WinZip

Abbildung 1: Software-Erzeugnis „WinZip“: Wo ist der Knopf zum Komprimieren?“

Das Werkzeug „Komprimieren“ fehlt natürlich nicht wirklich (dies wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz der Aufgabenangemessenheit) sondern es ist falsch benannt als „Neu“.

Die meisten Benutzer drücken nach ihrem erstmaligem Stutzen über das Fehlen eines Werkzeugs „Komprimieren“ dann – nach dem Prinzip der Vermutung und nicht der Erwartung – auf „Neu“ und glauben nun auf der richtigen Spur zu sein…

WinZip liefert genau bei diesem nächsten Schritt ein Beispiel für eine nicht-erfüllte Erwartungshaltung aufgrund der Erfahrung mit anderen Produkten.

„Erwartungshaltung aufgrund der Erfahrung mit anderen Produkten“ – WinZip liefert auch hierzu ein Beispiel

Warum glauben die meisten Benutzer, nach Anklicken von „Neu“ auf dem richtigen Weg zu sein? Nun, es öffnet sich nach Klicken auf „Neu“ eine Dialogbox, das so aussieht, als könnte man hier eine zu komprimierende Datei auswählen (siehe Abbildung 2).

Beispiel WinZip

Abbildung 2: Software-Erzeugnis „WinZip“: Die Dialogbox, die so aussieht, als könne man eine zu komprimierende Datei auswählen

Jedoch erweist sich diese Dialogbox als Falle für die meisten Nutzer, die jetzt schlichtweg, die Datei auswählen wollen, die sie komprimieren müssen. Dies ist jedoch mit der Dialogbox in Abbildung 2 unmöglich. Probieren Sie es einmal aus! In der Dialogbox in Abbildung 2, wird vom Benutzer gefordert, ein „Archiv zu benennen“ in das die zu komprimierende Datei „hineinkomprimiert“ wird.

Da jedoch

  1. die Erwartungshaltung des Nutzer zu diesem Zeitpunkt ist „Datei auswählen, die komprimiert werden soll“
  2. die Dialogbox optisch so gestaltet ist, wie bei anderen Produkten die Dialogbox „Datei öffnen“

ist dieser Dialogschritt ebenfalls nicht erwartungskonform.

Wie lässt sich Erwartungskonformität in Softwareprodukte „hineindesignen“?

Um Softwareprodukte und interaktive Produkte jeglicher Art erwartungskonform zu gestalten muss der Designer sowohl

  • die Arbeitsaufgaben der Benutzer kennen, analysieren und verstehen
  • alle anerkannten Gestaltungsregeln kennen und anwenden

IN DIN EN ISO 9241-10 finden sich zahlreiche Empfehlungen, die dem Designer dabei helfen, erwartungskonforme Dialogabläufe zu gestalten. Dort werden auch die anderen sechs Grundsätze der Dialoggestaltung beschrieben und zu jedem Grundsatz eine Reihe von Empfehlungen für deren Anwendung gegeben. Einen konkreten Anwendungsrahmen für Designer befindet sich im Forschungsbericht „Specifying usability requirements and test criteria for interactive systems“.

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