Seit 20 Jahren bekannt – kaum genutzt: Usability bringt messbare Vorteile

Zwischen Erkenntnis und Umsetzung liegt oft ein Jahrzehnt. In Sachen Usability sind es inzwischen zwei. Bereits 2005 stellte Clare-Marie Karat im Fachbuch „Cost-Justifying Usability“ konkrete Methoden vor, um Investitionen in Usability wirtschaftlich zu begründen. Fallstudien zeigten damals, dass gebrauchstaugliche Systeme zu weniger Fehlern, schnellerem Arbeiten und zufriedeneren Beschäftigten führen – mit klaren Effekten auf Effizienz und Betriebskosten.An der Faktenlage hat sich bis heute nichts geändert. An der Umsetzung leider auch nicht.

Klare Argumente – und dennoch kaum Veränderung

Studien der letzten Jahre greifen Karats Argumentation auf. In der Praxis bleibt der Nachweis des wirtschaftlichen Nutzens von Usability jedoch die Ausnahme. Obwohl der Return-on-Investment (ROI) theoretisch berechenbar ist, fehlen konkrete Daten in vielen Projekten. Die Ursache liegt häufig nicht in mangelndem Willen, sondern in fehlenden Routinen, belastbaren Ausgangsdaten und strategischem Rückhalt.

Ein Beitrag aus dem Journal of Usability Studies beschreibt, wie zentrale Kennzahlen – wie etwa Fehlerreduktion, Bearbeitungszeit oder Abbruchraten – systematisch erfasst und mit Finanzkennzahlen wie dem Net Present Value (NPV) kombiniert werden können. Doch selbst dort, wo solche Methoden bekannt sind, bleiben sie selten Teil des Projektalltags.

Was die Forschung sagt

  • Usability-Maßnahmen verkürzen Einarbeitungszeiten.
  • „Benutzerfreundliche“ Anwendungen senken Supportkosten.
  • Eine gute Gestaltung reduziert kognitive Belastung und Frustration.
  • Die Systemakzeptanz steigt, wenn die Bedienung erwartungskonform ist.

In einer aktuellen Analyse wurde deutlich: In Organisationen, die bewusst in Usability investieren, steigt die Prozessgeschwindigkeit – etwa bei internen Verwaltungsanwendungen – um bis zu 25%. Die Fehlerquote sinkt in manchen Szenarien um 30% oder mehr. Trotzdem wird der Nutzen selten quantifiziert.

Messen, was wirkt

Es fehlt nicht an Methoden – sondern an Strukturen, die das Messen zur Routine machen. Dort, wo Projektteams Zugriff auf Nutzungsdaten, Zeitaufwand und Fehlerhäufigkeit haben, lassen sich Effekte meist eindeutig belegen. Doch in vielen Unternehmen gelten diese Daten weiterhin als „weiche Faktoren“ – ein Irrtum, der teuer werden kann.

Ein durchdachtes Usability-Engineering kann den wirtschaftlichen Erfolg von IT-Projekten entscheidend beeinflussen. Doch dieser Zusammenhang entfaltet erst dann Wirkung, wenn er intern sichtbar wird – durch Vergleichswerte, Szenarien oder Prognosen.

Konsequenzen für die Praxis

Usability sollte als Investition betrachtet werden – nicht als Projektdekoration. Wer Ergebnisse sichtbar macht, stärkt nicht nur das eigene Fachgebiet, sondern unterstützt auch fundierte Entscheidungen auf Managementebene.
Es reicht nicht, auf bekannte Studien zu verweisen. Gefragt sind konkrete Beispiele, belastbare Messwerte und wiederholbare Vorgehensweisen.

Gerade im Zuge aktueller KI-Initiativen entsteht die Chance, bestehende Usability-Probleme sichtbar zu machen – und mit intelligenten Assistenzsystemen gezielt zu entschärfen. Human-AI-Teaming kann hier nicht nur unterstützen, sondern auch zur Blaupause werden: für Systeme, die Aufgaben wirklich erleichtern – und nicht zusätzlich verkomplizieren.

Quellen: