Von der Gebäuderampe zur sprechenden Webseite (Barrierefreies Web – Basics 1)

3. November 2008


Barrierefreiheit reicht vom rollstuhlgerechten Zugang eines Gebäudes bis hin zur Möglichkeit, sich eine Webseite vorlesen oder in Blindenschrift (Braille) ausgeben zu lassen. In Deutschland fordert das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) die barrierefreie Gestaltung von öffentlichen Gebäuden, Verkehrsmitteln sowie Informations- und Kommunikationsmitteln, zu denen auch Webangebote gehören.

Die barrierefreie Gestaltung von Webangeboten ist in erster Linie für Menschen mit dauerhaften oder vorübergehenden Behinderungen von großer Bedeutung, um Zugriff auf alle online bereitgestellten Informationen und Services zu erhalten. Dabei werden die unterschiedlichen Bedürfnisse von blinden, sehbehinderten, gehörlosen und hörgeschädigten Menschen berücksichtigt sowie die von Nutzer/innen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen. Ebenso wird der Zugang für verschiedenartige Browser und assistive Technologien wie Braille-Tastaturen, Bildschirmlupen oder Vorlesesoftware (Screen Reader) sichergestellt. Da barrierefreies Webdesign die Einhaltung technischer Standards beinhaltet, ist sie gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für einen plattformunabhängigen Zugang mit neuen mobilen Endgeräten.

Internationale Richtlinien für barrierefreies Web

Die Umsetzung barrierefreien Designs für Webangebote wird auf Bundesebene durch die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) geregelt. Sie enthält einen Katalog von Anforderungen, die eine Website erfüllen muss, um als barrierefrei zu gelten. So wie die BITV und die daran angelehnten Regelungen der einzelnen deutschen Bundesländer basieren weltweit die gesetzlichen Bestimmungen auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 1.0. Entwickelt wurden die Richtlinien von der Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web Consortiums (W3C), dem für das Web maßgeblichen Standardisierungsgremium. Die erste Version soll in Kürze durch WCAG 2.0 abgelöst werden, die der mittlerweile großen Vielfalt von Medien und Formaten durch eine technologieunabhängige Beschreibung von Regeln der Barrierefreiheit gerecht wird. Die einzelnen Richtlinien sind dort vier zentralen Gestaltungsgrundsätzen zugeordnet:

  • Wahrnehmbarkeit:
    Beispiele sind anpassbare Schriftgrößen, ausreichender Kontrast zwischen Schrift- und Hintergrundfarbe für sehbehinderte Menschen oder Alternativtexte für multimediale Elemente, um etwa Inhalte von Audiodateien für gehörlose Menschen zugänglich zu machen.
  • Bedienbarkeit:
    Voraussetzungen sind z.B. eine von der Computermaus unabhängige Möglichkeit zur Eingabe über die Tastatur für motorisch beeinträchtigte Menschen oder ein konsistentes Layout als Orientierungshilfe für Menschen mit eingeschränkter Merkfähigkeit.
  • Verständlichkeit:
    Dazu gehören beispielsweise übersichtlich gegliederte Texte und die Verwendung einer möglichst einfachen Sprache, um Inhalte für leseschwache oder lernbehinderte Menschen zugänglich zu machen sowie eindeutige Linktitel, die auch außerhalb ihres unmittelbaren Kontextes für blinde Nutzer/innen von Screen Readern sinnvoll sind.
  • Robustheit:
    Inhalte und Funktionen müssen so gestaltet sein, dass sie durch unterschiedliche Zugriffssoftware, also verschiedenartige Browser und assistive Technologien korrekt wiedergegeben werden können.

Zur technischen Umsetzung der Richtlinien sind bereits viele Empfehlungen und Implementierungsbeispiele erschienen. Eine aktuelle Liste relevanter Dokumente findet sich im Vorspann zu WCAG 2.0.

Barrierefreies Web für Alle

Barrierefreie Online-Angebote stellen vor allem für die allein in Deutschland lebenden sieben Millionen schwerbehinderten Menschen ein wichtiges Mittel zur aktiven Teilhabe an der Informationsgesellschaft dar. Doch profitiert davon auch die stetig wachsende Gruppe der älteren Menschen, bei denen oft eine Kombination mehrerer Einschränkungen anzutreffen ist, wie eine altersbedingte Verminderung des Seh- und Hörvermögens, Einschränkungen der Feinmotorik sowie nachlassende Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit und ein abnehmendes Kurzzeitgedächtnis.
Ein barrierefrei gestaltetes Web kommt durch einfache Bedienbarkeit, Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Inhalte aber auch allen anderen Nutzer/innen zugute. Die Möglichkeit sich Texte vorlesen zu lassen unterstützt nicht nur blinde Nutzer/innen, sondern kann auch für Menschen mit vorübergehenden Einschränkungen zum Einsatz kommen, die z.B. nach einer Augenoperation keine längeren Texte lesen dürfen. Ein konsistentes Layout erleichtert beispielsweise Orientierung und Navigation durch Entlastung des Gedächtnisses. Die Verwendung einer einfachen Sprache ist nicht nur für gehörlose oder kognitiv eingeschränkte Menschen von großer Wichtigkeit, sondern erhöht auch z.B. für Nicht-Muttersprachler die Verständlichkeit entscheidend. Gut gegliederte Texte sind schneller zu scannen und erleichtern so das ermüdende Lesen am Bildschirm für alle Nutzer/innen.

Ein grundlegendes Prinzip von barrierefreiem Webdesign ist die Einhaltung der W3C- Spezifikationen und die Verwendung von validen (X)HTM, XML und CSS-Dokumenten, die also keine Regelverstöße gegen die veröffentlichten Grammatiken aufweisen. Dies ist Voraussetzung für eine geräteunabhängige Ein- und Ausgabe, zunächst für assistive Technologien wie Bildschirmtastaturen oder Screen Reader, damit aber zugleich auch für die Nutzung von Webangeboten über unterschiedliche mobile Endgeräte wie Handys oder PDAs (Personal Digital Assistant). Das bedeutet, ein barrierefrei gestalteter Online-Dienst kann angepasst an die Erfordernisse der Benutzer/innen ausgegeben werden, beispielsweise mit Schriftvergrößerung, als Sprachausgabe, für Tastaturbedienung, oder auf unterschiedlichen Handy-Bildschirmen.

Quicktipps für Web-Entwickler/innern

  • Darstellung von Strukturelementen durch Markup nach W3C-Spezifikationen (z.B. bei Ãœberschriften, Listen oder Datentabellen)
  • Verwendung von validem Code in (X)HTML, XML und CSS gemäß W3C-Vorgaben
  • Sicherstellung der Zugänglichkeit von Websites, auch wenn Scripts, Applets, Frames und Style Sheets von Nutzer/innen im Browser deaktiviert wurden
  • Ãœbersichtliche und konsistente Gestaltung der Navigation (z.B. eindeutige Linktitel, Gruppierung und einheitlicher Gebrauch von Navigationselementen)
  • Bereitstellung eines Text-Äquivalents für jedes Nicht-Text-Element (z.B. Bilder, Audio-Dateien, Videos, Scripts)
  • Trennung von Inhalt und Präsentation (durch Einsatz von CSS)
  • Verwendung möglichst einfacher Sprache
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