Usability Engineering und Design

29. November 2012

Wir wollen folgend den Versuch unternehmen zu klären, was der Unterschied – wenn es denn einen gibt – zwischen den drei Design-Paradigmen Universal Design[1], Simple Design und Resonant Design ist, und was es mit dem Aufwand des Usability Engineerings auf sich hat?

Um eins schon mal vorweg zu nehmen: Usability Engineering wird in allen drei Paradigmen betrieben – nur, so behaupte ich, lässt sich gar nicht so einfach feststellen, bei welchem mehr bzw. weniger Aufwand betrieben werden muss.

Der Unterschied sich lässt am einfachsten an Beispielen demonstrieren:
So ist jedem von uns der abgeflachte Bordstein an StraĂźenkreuzungen ein Begriff. Dieser wurde zuallererst erdacht und erbaut damit Menschen, die in einem Rollstuhl sitzen, ein leichtes haben, die StraĂźe zu ĂĽberqueren. Doch zeigte sich, dass dieses einfache Prinzip der Absenkung des Bordsteins nicht nur Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern zu Gute kommt, sondern anderen Passanten bspw. mit Kinderwagen oder Schubkarren (in damaligen Zeiten).
Dies ist somit ein exzellentes Beispiel für Universal Design, da es vielen unterschiedlichen Menschen mit Einschränkungen den Alltag erleichtert.

Das Bath Institute of Medical Engineering (BIME)[2] , welches schon jahrelang Produkte fĂĽr und mit Menschen mit Behinderungen entwirft und entwickelt, hat ein ‚einfaches‘ Radio auf den Markt gebracht, da diese aufgrund der technischen Raffinesse mehr und mehr an Komplexität gewinnen. Dieses ‚einfache‘ Radio ist speziell fĂĽr Menschen mit Demenz gedacht, da sie ihr Kurzzeitgedächtnis immer mehr im Stich lässt, doch sie sich noch gut bspw. an die Radios ihrer Kindheit erinnern, wurde es – von auĂźen betrachtet – auf das Notwendigste beschränkt – den Ein-/ Aus-Schaltern. Alles andere wurde versteckt, also die Sendersuchtaste, die Tasten zur Speicherung der Rundfunkfrequenzen und bspw. auch die Taste zur Bandwahl (UKW/ KW / MW/ LW).
Hieran lässt sich gut das Konzept des Simple Design verdeutlichen. Es reduziert die Artefakte auf das Notwendigste, um deren Usability/ Handhabung so einfach und intuitiv zu halten wie nur möglich.

Bei beiden Konzepten ist Usability Engineering angezeigt, denn bei beiden steht der Nutzer bzw. die Nutzerin im Fokus des Geschehens. Bei beiden entwerfen Ingenieurinnen und Ingenieure Artefakte/ Produkte, die genutzt werden wollen, die markttauglich sein sollen. Der Unterschied ist lediglich – was heiĂźt ‚lediglich‘ – die Breite ihrer Nutzung. Das erstere zielt auf die massenhafte Nutzung durch die Bevölkerung ab, wogegen das letztere speziell fĂĽr einen – möglicherweise – kleinen Ausschnitt der Bevölkerung konzeptioniert wurde.
Wenn wir uns jetzt das iPhone von Apple vor Augen fĂĽhren, so wird uns bei so einem technisch raffinierten Produkt sofort einleuchten, dass der Prozess des Usability Engineerings ungleich höher ist als bei einem Bordstein, doch wie verhält es sich zu dem Beispiel des ‚einfachen‘ Radios?

Um meinen Punkt von oben aufzugreifen: So einfach lässt sich dies gar nicht feststellen. Denn bei technisch-raffinierten Produkten, geht es um die gebrauchstaugliche Ausfeilung vieler Funktionen und Zugänglichkeit fĂĽr die breite Masse. Wohingegen sich bei ‚einfachen‘ Produkten die Frage stellt, wie vereinfache ich die Handhabung – also auch eine Frage der Gebrauchstauglichkeit/ des Usability Engineerings.

Zudem zeigt Graham Pullin[3] in seinem Buch ‚Design meets Disability‘ den Begriff des ‚Resonant Design‘ auf, wobei sich dies auf (Produkt-)Entwicklungen bezieht, die in ihrer ursprĂĽnglichen Idee fĂĽr einen engeren Personenkreis mit Einschränkungen konzipiert wurden. Es kristallisierte sich jedoch heraus, dass es einen weiteren Personenkreis gibt, welcher in bestimmten Situationen auch eingeschränkt ist und somit auch von dieser Entwicklung profitieren wird. Als Beispiel sei hier ein ‚hands-free PDA‘ (Personal Digital Assistant) angefĂĽhrt, welcher ohne Stylus (Eingabestift) jedoch mit Spracherkennung funktioniert. Zuerst angedacht fĂĽr Menschen mit Erblindungen/ Sehbehinderungen, doch dann wurde – eher durch Zufall – entdeckt, dass auch bspw. Geschäftsleute oder Kellner hiervon profitieren können, indem sie ihre Hände frei haben und stattdessen ihre Diktate oder Bestellungen mit ihrer Stimme in das Gerät eingeben können.

Ich denke es lässt sich festhalten, dass Usability Engineering bei jedweder Produktentwicklung – gleich welchem Design-Paradigma es unterliegt – eine entscheidende Rolle zugestanden werden muss. Die Frage ist jedoch, ob wir künftig nicht auch der optischen Gestaltung – dem Design – eine gewichtigere Rolle zubilligen müssen.
Denn wie Pullin[4] schon feststellt: Ein gut-aussehendes Produkt wird eher gekauft und längerfristig genutzt (unter der Prämisse, dass es gebrauchstauglich ist) – siehe Produkte von Apple.

Quellen:
[1]www.ncsu.edu/project/design-projects/udi (besucht am 29. Sep. 2012)
[2]www.bath.ac.uk/bime/products/dc_products.htm#2 (besucht am 7. Okt. 2012)
[3]www.dundee.ac.uk/djcad/staff/grahampullin (besucht am 13. Okt. 2012)
[4]Pullin, Graham (2009). Design meets Disability. MIT Press, Cambridge MA.

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