Einfluss von Zertifikaten auf Vertrauensbildung

Welchen Einfluss haben Zertifikate (bzw. Gütesiegel) von unabhängigen Institutionen auf der Homepage von eCommerce-Anbietern auf die Vertrauensbildung des Kunden? Greg Dunn von der Carleton University in Kanada ist dieser Frage nachgegangen. In dem Testszenario wurde nicht nur überprüft, ob Benutzer Zertifikate als vertrauensfördernd wahrnehmen, sondern auch, ob sich dies in ihrer tatsächlichen Nutzung widerspiegelt. Das Ergebnis überrascht: obwohl Benutzer durchwegs angaben, dass Zertifikate vertrauensfördernd sind, hatte die Existenz oder Nichtexistenz von Zertifikaten auf ihr tatsächliches Nutzungsverhalten keinen Einfluss. Benutzer konnten zusätzlich nicht zwischen realen und fiktiven Zertifikaten unterscheiden.

Vorstudien

Schon in vorangegangenen Studien wurde herausgefunden, dass das Vertrauen von Benutzern in die Seriosität und Zuverlässigkeit von eCommerce-Anbietern unter anderem durch das Vorhandensein von unabhängigen Zertifikaten auf der Homepage beeinflusst wird. Als Zertifikate (so genannte „third-party seals“) versteht Greg Dunn Symbole, die auf einer eCommerce Homepage platziert sind, von einer unabhängigen Institution herausgegeben werden, die Sicherheit einer Dienstleistung bescheinigen und Benutzer davon überzeugen sollen, dass die Geschäftspraxen des Anbieters bestimmten Qualitätsanforderungen genügen.

Die Testobjekte

Als Testobjekte wählte Greg Dunn acht existierende Websites aus dem Internet aus. Diese Websites wurden für das Experiment modifiziert. Insgesamt gab es vier Variationen von Zertifikaten auf den Homepages: kein Zertifikat, sowie Zertifikate von Verisign TM, BBB Online TM und Safe.com. Es handelt sich sowohl bei Verisign TM als auch BBB Online TM um reale Zertifikate, während Safe.com ein fiktives Zertifikat darstellt, welches explizit für dieses Experiment entworfen wurde.

Die Meßlatte(n)

Um die Auswirkung von Zertifikaten auf die Vertrauensbildung zu testen, wurden drei unterschiedliche Methoden verwendet. Zwei der Methoden sollten das tatsächliche Nutzungsverhalten bezüglich der Vertrauensbildung testen, während die dritte Methode die nutzungsunabhängigen Einstellungen der Testpersonen zu Zertifikaten überprüfen sollte.

Um das Vertrauen der Benutzer für jede Website zu bestimmen, wurden die Teilnehmer gebeten, einen kurzen Fragebogen („Trusting Intentions Questions“) für jede Website auszufüllen. Als weiteres Maß für das Vertrauen der Benutzer wurde ein „Vertrauensspiel“ (so genanntes „trust game“) durchgeführt. Dabei konnten die Benutzer insgesamt 100$ auf den Websites ausgeben. Die Aufgabe der Benutzer war es, das Geld so auf die Websites zu verteilen, dass sie nur in die Website „investieren“, die ihrer Meinung nach die versprochenen Leistungen auch wirklich liefern.

Nach dem Experiment wurde an die Benutzer ein Fragebogen ausgeteilt. Dieser Fragebogen war in drei Abschnitte gegliedert. In dem ersten Abschnitt sollten Benutzer aus einer Liste von insgesamt 10 Zertifikaten diejenigen auswählen, die im Experiment tatsächlich aufgetreten sind. Bei den 10 zur Auswahl stehenden Zertifikaten handelte es sich in 7 Fällen um real existierende Zertifikate und in drei Fällen um fiktive Zertifikate. Zusätzlich sollten Benutzer angeben, ob ihnen die Zertifikate durch ihre Internetnutzung schon bekannt sind. Im zweiten Teil des Fragebogens sollten Benutzer die Aspekte auf einer Homepage benennen, die sie als vertrauensfördernd wahrnehmen. Unter den 22 Design-Merkmalen, die den Benutzern zur Auswahl standen, befand sich auch das Merkmal „Zertifikate“. Im letzten Abschnitt sollten Benutzer die Funktion der Zertifikate „Verisign TM“, „BBB Online TM“ und „Safe.com“ erklären.

Die Ergebnisse

Die Auswertung des Fragebogens ergab, dass für Benutzer vor allem folgende vier Design-Merkmale signifikant zur Vertrauensbildung beitragen: eine Datenschutzerklärung, das Vorliegenvon Zertifikaten, sowie ein attraktives Design und die Angabe von Kontaktinformationen.

Aufgrund dieser Auswertung ging Greg Dunn davon aus, dass sich die Existenz von „realen“ Zertifikaten auf einer Homepage auch in der tatsächlichen Nutzung durch eine erhöhte Vertrauensbildung widerspiegelt. Nach Auswertung des „Vertrauensspiels“ und der „Trusting Intentions Questions“ stellte Greg Dunn jedoch fest, dass es für das tatsächliche Nutzungsverhalten von Benutzern egal war, ob auf der Homepage ein Zertifikat existierte oder nicht. Auch machten Benutzern keinen Unterschied zwischen „realen“ und „fiktiven“ Zertifikaten. Überraschenderweise gaben ebenso viele Benutzer an, das „fiktive“ Zertifikat „Safe.com“ von anderen Websites zu kennen, wie bei den „realen“ Zertifikaten „Verisign TM“ und „BBB Online TM“.

Schlussfolgerungen

Aus dem Experiment zieht Greg Dunn unter anderem die simple Schlussfolgerung, dass eine Diskrepanz zwischen Einstellung und Handlung des Benutzers besteht. Die Benutzer hatten zwar angegeben, dass Zertifikate ihr Vertrauen in eine Website erhöhen, aber sobald es um ihr Vertrauen in eine bestimmte Website ging, spielten Zertifikate keine Rolle mehr.

Einen weiteren Grund für das Testergebnis sieht der Autor darin, dass die Benutzer mit den bis heute existierenden Zertifikaten unabhängiger Institutionen nicht vertraut sind. Dies würde bedeuten, dass sich bis dato noch kein Anbieter mit einem Zertifikat auf dem Markt etablieren konnte. In dieser Hinsicht wäre es interessant zu untersuchen, ob Zertifikate von auf anderen Gebieten anerkannten Institutionen (z.B. TÜV, Stiftung Warentest) zu anderen Ergebnissen führen.

Quelle: Hotlab Website