Auf die Länge kommt es nicht an!

Sehr geehrtes FIT Usability Team,

Welchem Kriterium ist der Vorzug zu geben: Der tatsächlichen Länge eines Anmeldeprozesses oder der vom Nutzer wahrgenommenen Länge eines Anmeldeprozesses? Ich meine hiermit Prozesse, bei denen man Vertragsunterlagen online ausfüllt oder bei denen man online ein Produkt erwirbt und dafür einen gewissen Kauf-, Antrags- oder Bestellprozess durchlaufen muss. Und wie kann dies im Usability-Test vernünftig operationalisiert werden?

Antwort

Lieber Leser,

Aus Usability-Sicht ist der subjektive Eindruck einer Prozessabwicklung entscheidend für die Benutzerzufriedenstellung. Schließlich ist es der Benutzer, der den Anmeldeprozess durchlaufen muss. Und wenn dieser von ihm als zu lang wahrgenommen wird, dann entspricht dies nicht seinem mentalen Model der angemessenen Länge eines Anmeldeprozesses.

In unserer Beratungsarbeit stoßen wir vielfach auf Vorgaben und Slogans wie „Mit drei Klicks zum Ziel“. Diese Vorgaben werden oftmals mit der Überzeugung geäußert, damit die Usability optimieren zu können. Auch wenn solche Aussagen meistens gut gemeint sind, können sie zum Teil irreführend sein. Nur weil „nur drei Klicks“ benötigt werden, um zum Beispiel ein Produkt zu bestellen, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass der Prozess aus Benutzersicht optimal gestaltet wurde. Wenn der Benutzer nämlich schon beim ersten oder zweiten „Klick“ nicht weiß, was er als nächstes machen muss, dann hilft auch die „Kürze“ des Prozesses nicht weiter. Deswegen ist es für einen gebrauchstauglichen Anmeldeprozess wichtiger, den Benutzer angemessen in seiner Aufgabenerledigung zu unterstützen, als den kürzesten Prozessweg zu bestimmen und zu implementieren.

Entscheidend bei der computergestützen Gestaltung jeglicher Prozesse ist das Dialogprinzip der Aufgabenangemessenheit. Laut Spezifikation der ISO 9241-10 zählt unter anderem zur Aufgabenangemessenheit, dass Benutzer keine unnötigen Dialogschritte durchlaufen sollen und nur aufgabenrelevante Informationen angezeigt bekommen. Wenn der Anmeldeprozess dementsprechend effizient gestaltet ist, so sollte auch die optimale Länge eines Anmeldeprozesses aus Benutzersicht erreicht sein.

Dennoch können bei der Erreichung eines bestimmten Ziels auch mehrere Wege bzw. Prozessrealisierungen angemessen sein. Will man sich für eine Realisierung entscheiden, ist nun die Betrachtung quantitativer Größen interessant.

Interessant für den Vergleich von zwei aufgabenangemessenen Prozessen sind zum Beispiel:

  • benötigte Zeit
  • notwendige Klicks bis zur Zielerreichung
  • Anzahl der Prozessschritte

Zusätzlich können noch Daten über die subjektive Präferenzen von Benutzern eingeholt werden. So könnten Benutzer befragt werden, welche Alternative sie bevorzugen. Oder man könnte Benutzer bitten, ihre Einschätzung der Länge des Anmeldeprozesses auf einer Skala von z.B. „extrem kurz“ bis „extrem lang“ anzugeben.

Britta Hofmann

Leserbriefe

„Auf die Länge kommt es nicht an“, kommt es nicht an, wird im aktuellen Kummerkasten gesagt und ich halte das für richtig. Dennoch möchte ich ein meiner Meinung wichtiges Kriterium ergänzen:
Anmeldeprozesse müssen dem Nutzer vor allem Freiheit und Kontrolle geben. Bis zum Abschicken (Ein Reset-Knopf ist unnötig und gefährlich!) muss jede Navigation innerhalb des Prozesses erlaubt sein und Daten solange geändert werden können, ohne von vorn anzufangen. Nichts nervt mehr als die Abfrage eines Datums auf Seite 3, dass von Seite 2 abhängig ist (oder umgekehrt!) und man nur mit Informationsverlust oder gar nicht zu vorherigen Seiten zurückkehren kann.
Aus diesem Grunde bevorzuge ich „einseitige“ Anmeldungen, auch wenn man ob ihrer „Länge“ scrollen muss. Das geht natürlich nicht, wenn die eingegebenen Daten vorverarbeitet werden müssen … ein Kompromiss bleibt immer …

Stefan B.