Auf die LĂ€nge kommt es nicht an!

19. Mai 2005

Sehr geehrtes FIT Usability Team,

Welchem Kriterium ist der Vorzug zu geben: Der tatsĂ€chlichen LĂ€nge eines Anmeldeprozesses oder der vom Nutzer wahrgenommenen LĂ€nge eines Anmeldeprozesses? Ich meine hiermit Prozesse, bei denen man Vertragsunterlagen online ausfĂŒllt oder bei denen man online ein Produkt erwirbt und dafĂŒr einen gewissen Kauf-, Antrags- oder Bestellprozess durchlaufen muss. Und wie kann dies im Usability-Test vernĂŒnftig operationalisiert werden?

Antwort

Lieber Leser,

Aus Usability-Sicht ist der subjektive Eindruck einer Prozessabwicklung entscheidend fĂŒr die Benutzerzufriedenstellung. Schließlich ist es der Benutzer, der den Anmeldeprozess durchlaufen muss. Und wenn dieser von ihm als zu lang wahrgenommen wird, dann entspricht dies nicht seinem mentalen Model der angemessenen LĂ€nge eines Anmeldeprozesses.

In unserer Beratungsarbeit stoßen wir vielfach auf Vorgaben und Slogans wie „Mit drei Klicks zum Ziel“. Diese Vorgaben werden oftmals mit der Überzeugung geĂ€ußert, damit die Usability optimieren zu können. Auch wenn solche Aussagen meistens gut gemeint sind, können sie zum Teil irrefĂŒhrend sein. Nur weil „nur drei Klicks“ benötigt werden, um zum Beispiel ein Produkt zu bestellen, bedeutet dies nicht zwangslĂ€ufig, dass der Prozess aus Benutzersicht optimal gestaltet wurde. Wenn der Benutzer nĂ€mlich schon beim ersten oder zweiten „Klick“ nicht weiß, was er als nĂ€chstes machen muss, dann hilft auch die „KĂŒrze“ des Prozesses nicht weiter. Deswegen ist es fĂŒr einen gebrauchstauglichen Anmeldeprozess wichtiger, den Benutzer angemessen in seiner Aufgabenerledigung zu unterstĂŒtzen, als den kĂŒrzesten Prozessweg zu bestimmen und zu implementieren.

Entscheidend bei der computergestĂŒtzen Gestaltung jeglicher Prozesse ist das Dialogprinzip der Aufgabenangemessenheit. Laut Spezifikation der ISO 9241-10 zĂ€hlt unter anderem zur Aufgabenangemessenheit, dass Benutzer keine unnötigen Dialogschritte durchlaufen sollen und nur aufgabenrelevante Informationen angezeigt bekommen. Wenn der Anmeldeprozess dementsprechend effizient gestaltet ist, so sollte auch die optimale LĂ€nge eines Anmeldeprozesses aus Benutzersicht erreicht sein.

Dennoch können bei der Erreichung eines bestimmten Ziels auch mehrere Wege bzw. Prozessrealisierungen angemessen sein. Will man sich fĂŒr eine Realisierung entscheiden, ist nun die Betrachtung quantitativer GrĂ¶ĂŸen interessant.

Interessant fĂŒr den Vergleich von zwei aufgabenangemessenen Prozessen sind zum Beispiel:

  • benötigte Zeit
  • notwendige Klicks bis zur Zielerreichung
  • Anzahl der Prozessschritte

ZusĂ€tzlich können noch Daten ĂŒber die subjektive PrĂ€ferenzen von Benutzern eingeholt werden. So könnten Benutzer befragt werden, welche Alternative sie bevorzugen. Oder man könnte Benutzer bitten, ihre EinschĂ€tzung der LĂ€nge des Anmeldeprozesses auf einer Skala von z.B. „extrem kurz“ bis „extrem lang“ anzugeben.

Britta Hofmann

Leserbriefe

„Auf die LĂ€nge kommt es nicht an“, kommt es nicht an, wird im aktuellen Kummerkasten gesagt und ich halte das fĂŒr richtig. Dennoch möchte ich ein meiner Meinung wichtiges Kriterium ergĂ€nzen:
Anmeldeprozesse mĂŒssen dem Nutzer vor allem Freiheit und Kontrolle geben. Bis zum Abschicken (Ein Reset-Knopf ist unnötig und gefĂ€hrlich!) muss jede Navigation innerhalb des Prozesses erlaubt sein und Daten solange geĂ€ndert werden können, ohne von vorn anzufangen. Nichts nervt mehr als die Abfrage eines Datums auf Seite 3, dass von Seite 2 abhĂ€ngig ist (oder umgekehrt!) und man nur mit Informationsverlust oder gar nicht zu vorherigen Seiten zurĂŒckkehren kann.
Aus diesem Grunde bevorzuge ich „einseitige“ Anmeldungen, auch wenn man ob ihrer „LĂ€nge“ scrollen muss. Das geht natĂŒrlich nicht, wenn die eingegebenen Daten vorverarbeitet werden mĂŒssen … ein Kompromiss bleibt immer …

Stefan B.

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