TV-Sender im Internet: Usability und Werbewirkung mangelhaft!

7. Oktober 2007

Wie gut ist die Usability einer Website mit Werbung? Nehmen die Nutzer Werbung überhaupt wahr? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Usability und der Werbewirkung auf einer Webseite? Ist es so, dass bei besserer Usability die Werbung besser wirkt? Oder gar schlechter? Diese Fragen ergeben sich für Usability-Experten, wenn sie Internetauftritte mit Werbeinhalten betrachten. Um gerade erstere Fragen zu beantworten, habe ich die Internetauftritte von zwei TV Sendern – RTL und Sat1 – mit Benutzern untersucht. Und um es schon einmal vorweg zu nehmen: Die Usability der Webseiten ist schlecht. Die Werbung auf den Webseiten stört die Nutzer und bleibt – wenn überhaupt – nur in schlechter Erinnerung.

Die Methode

Insgesamt nahmen 20 Benutzer an der Studie teil, jeweils 10 von ihnen bewegten sich auf der Internetseite von RTL und 10 auf der von Sat1. Alle Teilnehmer bekamen die gleiche Aufgabe, die sie auf einer der Websites bearbeiten mussten. Ihnen war dabei nicht klar, dass die Studie etwas mit Werbung zu tun hatte. Die Aufgabe der Benutzer bestand darin sich über den Inhalt der nächsten Folge ihrer Lieblingsserie, die von mir vorgegeben wurde, zu informieren. Um später nachzuweisen, wohin die Nutzer auf der Seite blickten, wurde bei 15 von ihnen Eyetracking angewendet. Die Usability wurde zum einem festgehalten, indem alle Schwierigkeiten, die die Benutzer beim Erfüllen ihrer Aufgabe hatten, notiert wurden und zum anderen indem später ein standardisierter Fragebogen (SUMI) ausgefüllt werden musste, der die Usability durch die Faktoren „Effizienz“, „positive Einstellung“, „Nützlichkeit“, „Kontrolle“ und „Erlernbarkeit“ der Internetseite misst. Um die Werbewirkung zu untersuchen, wurden zwei unterschiedliche Methoden verwendet. Erstens ein so genannter „Recall-Test“, bei denen die Benutzer alle Produkte, die beworben wurden, frei aus der Erinnerung heraus nennen mussten und zweitens ein „Recognition-Test“ (Wiedererkennungstest). Dieser bestand aus einer Liste, auf der sowohl Produkte waren, die tatsächlich beworben wurden („Targets“), als auch Produkte, die nie auf der Internetseite zu sehen waren („Distractors“). Ein weiterer Fragebogen klärte Fragen wie Auffälligkeit und Gestaltung der Werbung, aber auch Gefallen der Internetseite.

Usability-Bewertung: Mangelhaft!

Die Usability, gemessen mit dem SUMI – Fragebogen, ist sowohl bei RTL, als auch bei Sat1 erschreckend schlecht. Beide Internetauftritte weisen große Defizite auf, wobei RTL etwas besser abschneidet als Sat1. Lediglich die Erlernbarkeit ist bei beiden Sendern etwas besser als das Mittel. Auch meine zusätzlichen Befragungen ergeben ähnliche Ergebnisse, denn die Seite von RTL gefiel nur drei von zehn Personen gut, Sat1 sogar nur einer von zehn. Aus diesem Grund geben lediglich vier RTL-Probanden an, dass sie die Seite in Zukunft noch einmal besuchen werden; bei Sat1 sogar nur drei.

Beispiel 01

„Werbung!? Welche Werbung?“

So wie die Usability, ist auch die Werbewirkung schlecht. 11 von 20 Benutzern geben an, dass sie die Werbung gestört habe und nur wenige können sich nach dem Besuch der Internetseite an das beworbene Produkt erinnern. Sat1 schneidet sowohl bei den Recall- als auch bei den Recognition-Tests etwas besser ab. Bei der RTL-Seite können zwei von zehn Benutzern eine Werbung korrekt erinnern (Recall) und bei der Recognition-Liste erkannten nur sechs von 10 Personen 1-2 der beworbenen Produkte wieder. Erschreckend, denn insgesamt tauchte während der gesamten Testreihe 65-mal Werbung auf.

Auf der Sat1-Seite konnten immerhin vier Benutzer eine Werbung korrekt erinnern (Recall), bei den Recognition-Tests erkannten 7 Personen 1-2 der beworbenen Produkte wieder. Auch bei diesem Webauftritt kam 65-mal Werbung vor.

Wurde die Werbung erst gar nicht gesehen?

Die Eytracking-Aufnahmen zeigen jedoch klar, dass alle Probanden mehrfach Werbung und auch verschiedene Werbeprodukte angeguckt haben, interessanterweise auch diejenigen, die sich an kein einziges Produkt erinnern können. Zur Illustration: Bei einem Benutzer tauchte 12 Mal Werbung auf. Bei 8 Werbeeinblendungen fiel sein Blick auf die beworbenen Produkte jedoch konnte er weder ein Produkt im Nachhinein nennen, noch sich an eins auf der Wiedererkennungsliste erinnern. Er gab aber dennoch an, dass ihn die Werbung so sehr gestört habe, dass dies ein Grund sei die Seite in Zukunft nicht mehr zu besuchen.

Beispiel 02
Abbildung 1: Blick des Benutzers ruht auf dem oberen Werbebanner (roter Kringel)

Werbung kostet den Benutzer Zeit und Nerven

Es gibt einen positiven signifikanten Zusammenhang zwischen der Zeit, die ein Benutzer für eine Aufgabe gebraucht hat und der Anzahl der Werbung, die er gesehen hat. Je länger der Benutzer für die Aufgabenerledigung benötigt, desto mehr Werbung sieht er auch. Ein recht trivialer Effekt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Benutzer, je länger er sich auf der Seite befindet, sich auch besser an die Werbung erinnert: Es gibt keine signifikant-positive Korrelation zwischen der Zeit zur Aufgabenbearbeitung und der Anzahl der erfolgreich erinnerten Produkte beim Recall oder bei den Recognition-Tests.

Wichtig ist noch anzumerken, dass einige Probanden angaben, dass sie die Werbung sogar bei der Erfüllung ihrer Aufgaben behindert habe. Bei RTL waren dies immerhin 6 von 10 Benutzern.

In Erinnerung: Wie, aber nicht was!

Am deutlichsten zu erkennen und am auffälligsten scheinen Pop-up-Werbefenster zu sein. Dies gaben zumindest 5 Probanden an, die sich deutlich an Pop-ups erinnern konnten. Allerdings heißt dies nicht, dass die Nutzer benennen konnten, um welches Produkt es sich bei den Pop-up-Fenstern handelt. Selbst wenn sie längere Zeit benötigten, um das Fenster wegzuklicken, konnten sie im Nachhinein nur ungefähr angeben, welches Produkt beworben wurden. Eine typische Antwort auf die gesehenen Pop-Up-Fenster von „ab-in-den-Urlaub.de“ war: „Es kam irgendwas mit Reisen vor.“ Bei einem Teilnehmer hatte dies zur Folge, dass er auf der Recognition-Liste sowohl „ab-in-den-Urlaub.de“ ankreuzte, also auch „Germanwings.com“, eine Firma die nicht auf der Internetseite geworben hatte.

Aber vielleicht es ist den Werbenden ja auch nicht so wichtig, ob die Lust auf Urlaub jetzt bei ihnen oder einer anderen Firma gestillt wird? Zu der Fragestellung an welchem Ort die Werbung am ehesten wahrgenommen wird, ist ebenfalls anzumerken, dass insgesamt überhaupt nur gut die Hälfte (12 Benutzer) sagen konnten, wo die Werbung überhaupt platziert war. Die anderen acht sind sich erst gar nicht gewusst, dass Werbung gezeigt wurde. Wenngleich die Eytracking-Aufnahmen zeigen, dass der größte Teil der Werbung angesehen wurde.

Beispiel 03
Abbildung 2: Blick des Benutzers auf einem Werbe-Pop-up von einem Reiseanbieter (roter Kringel)

Und nun?

Zusammenfassend ist zu sagen, dass sowohl RTL und Sat1 keine zufrieden stellenden Internetauftritte haben. Sie weisen weder eine gute Usability auf, noch sind sie brauchbare Werbeplattformen für ihre Werbekunden.

Die Benutzer waren überwiegend sehr unzufrieden mit den Seiten, obwohl sie ihre Aufgaben relativ schnell erfüllen konnten. Der Grund dafür waren die vielen kritischen Nutzungssituationen, in die die Benutzer immer wieder unerwartet gerieten.

Auch die schlechte Werbewirkung dürfte die Werbekunden von RTL und Sat1 nicht erfreuen. Die Werbung wird oft nicht erinnert, auch wenn sie angeguckt wurde. Dies lässt vermuten, dass eine unauffällige Platzierung nicht der Hauptgrund dafür sein kann, dass Werbung nicht erinnert wird.

Ein weiteres Problem ist ganz klar, dass die Benutzer die Werbung, die ihnen aufgefallen ist, nicht als positiv wahrgenommen haben. Viele haben sich schon während des Tests über „die blinkende „Plus“-Werbung“ beschwert. Einige würden genau aus diesem Grund die Internetseite nicht mehr besuchen.

Diese Ergebnisse werfen nun viele Fragen auf, die in Zukunft durch weitere Studien geklärt werden sollten. So sollte zum Beispiel untersucht werden, ob die schlechte Werbeerinnerung an der schlechten Usability liegt. Oder umgekehrt; Kommt die schlechte Qualitätseinschätzung der beiden Internetseiten aus Benutzersicht durch die als störend gestaltete Werbung zu Stande? Und vor allem stellt sich die Frage nach dem „Warum.“ Warum haben so viele Benutzer keine Erinnerung an die Werbung, obwohl sie diese doch nachweislich angeguckt haben?

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