Usability fĂĽr die Gastronomie

16. Mai 2011

Kellner in Cafés oder Restaurants sollten bei ihrer Arbeit immer freundlich und zuvorkommend sein – doch ist ihre Arbeit auch nutzerfreundlich gestaltet?
Das Bonieren in Restaurants und Cafés funktioniert heutzutage nicht mehr mit Zettel und Stift, sondern durch den Einsatz mobiler IT. Gemeint sind kleine elektronische Geräte, sogenannte „Orderman“, mit denen Kellner seit einiger Zeit in vielen, vor allem größeren, Betrieben Bestellungen aufnehmen. Allerdings stellen das schnelle Arbeitstempo und die hohe Anzahl wechselnder Mitarbeiter in der Gastronomie besondere Anforderungen an den Umgang sowie die leichte und intuitive Bedienung des Gerätes.

Dazu haben wir, zwei Praktikantinnen des Fraunhofer-Instituts fĂĽr Angewandte Informationstechnik (FIT) in Zusammenarbeit mit dem Institut fĂĽr Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), eine Studie durchgefĂĽhrt.
Insgesamt wurden 27 Kellner verschiedener Gastronomiebetriebe in Bonn zu ihrem Arbeitsplatz allgemein, sowie zu Stressfaktoren und dem Geräteumgang befragt. Des Weiteren wurde ein solcher Orderman in einem Restaurant exemplarisch genau unter die Lupe genommen. Hier führten wir Benutzertests mit der „Thinking Aloud“- Methode und anschließenden Interviews zur Gerätenutzung durch. Auf Basis der ISO-Norm 9241-110 sind wir zu interessanten Usability-Ergebnissen gekommen.

Ein Orderman ist ein etwa 200x90x25 mm großes und 280g schweres Gerät und wird mit einem Stift über einen Touch-Screen bedient. Die Buttons der Tastatur lassen sich variabel und dem Gastronomiebetrieb entsprechend individuell einrichten.
Der Gerätehersteller benennt die Tasten in Absprache mit dem Betrieb und genau in dieser eigentlich sehr sinnvollen Gestaltungsfreiheit versteckt sich unmittelbar die erste große Usability-Falle:

Abbildung 1: Display und Tastatur des Orderman
Abbildung 1: Display und Tastatur des Orderman

Was bedeutet „PLU“?
Je nachdem, wer die Entscheidung für die Tastenbenennung trifft, kann es leicht passieren, dass die Tasten nicht selbsterklärend sind. Oder wissen Sie, was „ZR“, „PLU“, „F“ und „WG“ bedeuten? Es ist besonders wichtig, dass die Tasten sinnvoll benannt werden und dem Wortschatz der Benutzer entsprechen, soll heißen, der Kellner muss die Bedeutung mit einem Blick verstehen. Also, geläufige Abkürzungen verwenden, für die kein Fachwissen vonnöten ist. Andernfalls sollten diese allen Nutzern erläutert oder eine Hilfefunktion zur Erklärung der Tasten eingebaut werden.

„Ich wünsche mir eine Taste für die Wahl eines Ganges“
In Benutzertests hat sich herausgestellt, dass kaum einer der Mitarbeiter wirklich mit allen Funktionen des Gerätes vertraut war. So wusste zum Beispiel nur eine Person, dass es eine Taste für die Wahl eines Ganges gibt; die anderen haben sich mit einer Nachricht über die Faxfunktion des Gerätes beholfen.

Tisch 39.1, 39.2 . . .
Außerdem erschien es unseren Testpersonen schwierig, getrennte Rechnungen zu erstellen: Bevor abgerechnet werden kann, muss erst eine Personenzuweisung erfolgen, zum Beispiel 39.1 für die erste Person, die an Tisch 39 zahlen möchte. Hinzukommt, dass uns niemand alle Optionen, die sich unter der „BAR“-Taste befinden, erklären konnte (Was ist eine „Profil Zwischrech. Zwischenrechnung“?).

Abbildung 2: Optionen unter dem Menüpunkt „BAR“
Abbildung 2: Optionen unter dem Menüpunkt „BAR“

Abgesehen von dem umständlichen Vorgang des Erstellens getrennter Rechnungen, sollte die Benennung unter „BAR“ individuell angepasst werden – in dem Fall, scheint einfach der Standard (siehe Abbildung 2) übernommen worden zu sein und der ist leider nicht nutzerfreundlich.
Weitere Schwierigkeiten finden sich in unterschiedlichen Details, die aber nicht weniger wichtig sind: Fax-Nachrichten können den einzelnen Speisen nicht zugeordnet werden – welches Gericht war doch gleich ohne Knoblauch?! Die Auflistung groĂźer und kleiner Getränke im HauptmenĂĽ schien in unserem Testbetrieb etwas unglĂĽcklich, denn es war nicht unmittelbar erkennbar, um welche Getränkegröße es sich handelt, es sei denn man weiĂź, dass „Cola 0,“ eine kleine Cola sein soll. Dagegen waren andere Getränkegrößen gar nicht aufgelistet – es bestellt sowieso niemand eine kleine Apfelschorle oder ein groĂźes Wasser. Tisch umbuchen? – „Ja, das geht, aber wie, weiĂź ich auch nicht“. Wird ein MenĂĽ von der Tageskarte bestellt, muss erst der Preis boniert, und dann separat eine Nachricht mit dem Speisenwunsch gesendet werden… ziemlich umständlich, wenn es schnell gehen soll.
Auffällig ist auch, dass mit längerer Nutzungsdauer ein besserer Geräteumgang einhergeht, was dafür spricht, dass die Geräte an sich gut sind, nur ihre Nutzerfreundlichkeit nicht unbedingt.

Fazit
Trotz der bestehenden Schwierigkeiten würden 90 Prozent der befragten Kellner die Geräte weiterempfehlen. Diese überraschend gute Bewertung des Geräteeinsatzes steht scheinbar in Zusammenhang mit der daraus resultierenden Arbeitserleichterung, Ersparnis der Laufwege, sowie der Umsatz- und Effizienzsteigerung. Das A und O dafür sind jedoch die optimale Einrichtung und Anpassung der Geräte.
Um die Usability sicherzustellen, muss dies zu einem etablierten Prozess werden, das heißt bei der Einrichtung der Geräte sollte auf die individuellen Bedürfnisse eines Betriebes und seiner Mitarbeiter eingegangen werden. Um das zu gewährleisten, müssen die Vertreter der Geräte hinsichtlich dieser Ansprüche geschult werden. Es geht nicht nur um das Gerät, sondern auch um die Menschen, die es benutzen.

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