Willkommen im Usability Begriffszoo

18. März 2005

Ist Ihr Bürotelefon ergonomisch oder doch eher benutzerfreundlich? Wenn Ihr E-Mail-Programm leicht zu bedienen ist, dann ist es doch sicher software-ergonomisch gestaltet, oder?

Wenn Menschen sich über die Qualität von interaktiven Produkten (Software, Hardware & Kombinationen aus Beidem) unterhalten, so tauchen typisch folgende Begriffe auf:

  • Bedienbarkeit
  • Bedienerfreundlichkeit
  • Benutzbarkeit
  • Benutzerfreundlichkeit
  • Ergonomie
  • Gebrauchstauglichkeit
  • Handhabbarkeit
  • Nutzungsqualität
  • Software-Ergonomie
  • Usability
  • User Experience

Im Grunde genommen kann man alle Begriffe als Synonyme betrachten. Jedoch führt die Verwendung von redundanten Begriffen in Gesprächen häufig zu Missverständnissen. Deshalb sollte in Fachgesprächen im Rahmen von Produktplanungen, Produktentwicklungen und Produktbewertungen auf Begriffe zurückgegriffen werden, die in den DIN EN ISO Normen definiert sind.

Der definierte Begriff „Usability“

Der Begriff „Usability“ wurde 1998 erstmalig in der Norm ISO 9241-11 definiert. Ein Jahr später wurde in der Ãœbersetzung der ISO 9241-11 der Begriff „Usability“ mit „Gebrauchstauglichkeit“ ins Deutsche übersetzt.

  • Englisch: „Usability“ (ISO 9241-11:1998)
    „Extend to which a product can be used by specified users to achieve specified goals with effectiveness, efficiency and satisfaction in a specified context of use“
  • Deutsch: „Gebrauchstauglichkeit“ (Deutsche Ãœbersetzung von Usability aus DIN EN ISO 9241-11:1999)
    „Das Ausmaß in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“

„Gebrauchstauglichkeit“ statt „Benutzerfreundlichkeit“ – warum eigentlich?

Interaktive Produkte (z.B. Software, aber auch Drucker, Kopierer, Telefongeräte) werden zunehmend als Arbeitsmittel eingesetzt. Ein Arbeitsmittel, das nicht „gebrauchstauglich“ ist, kann Menschen erheblich bei der Arbeit behindern und als Effekt richtig „Nerven kosten“. Vor diesem Hintergrund greift der Begriff „Benutzerfreundlichkeit“ einfach zu kurz.

Die verfängliche Suggestion des Begriffs „Benutzerfreundlichkeit“

„Benutzerfreundlichkeit“ suggeriert, dass es Menschen gibt, zu denen Produkte „besonders nett“ sein müssen und dass diese Menschen „empfindlich“ beziehungsweise „nicht in der Lage“ sind mit einem Produkt richtig umzugehen. Also spaltet der Begriff „Benutzerfreundlichkeit“ die Welt in zwei Typen Mensch:

  • Menschen, die Produkte ohne Probleme nutzen können
  • Menschen, die Probleme bei der Nutzung von Produkten haben

Dies ist in der Tat ein haarsträubendes Konzept und wird hier nicht weiter verfolgt.

Die zielführende Suggestion des Begriffs „Gebrauchstauglichkeit“

„Gebrauchstauglichkeit“ suggeriert, dass es Produkte gibt, die für einen bestimmten Gebrauch „taugen“ und andere Produkte, die hierfür „untauglich“ sind. Das Wort „Gebrauch“ steht hierbei für den „Nutzungskontext“ in dem ein Produkt zum Einsatz kommt. Es geht hierbei nicht nur um den Benutzer selbst, sondern insbesondere auch um die Arbeitsaufgabe, die der Benutzer mit einem Produkt erledigen muss. Unterstützt ein Produkt eine Arbeitsaufgabe nicht im Sinne des Benutzers, so ist das Produkt also schlichtweg untauglich. Dies lässt sich mit entsprechenden Prüfverfahren nachweisen.

„Ergonomie“ – der Oberbegriff

Auch der Begriff der „Ergonomie“ (englisch „Ergonomics“) wurde in 2004 in der Norm ISO 6385 wie folgt definiert:

  • Englisch: „Ergonomics“ (ISO 6385:2004)
    „Scientific discipline concerned with the understanding of interactions among human and other elements of a system, and the profession that applies theory, principles, data and methods to design in order to optimize human well-being and overall system performance“
  • Deutsch: „Ergonomie“ (DIN EN ISO 6385:2004)
    „Die wissenschaftliche Disziplin und das systematische Studium, die/das sich mit der Aufklärung der Wechselwirkungen zwischen menschlichen und anderen Elementen eines Systems befasst, und der Berufszweig, der die Theorie, Prinzipien, Daten und Methoden auf die (System)Gestaltung anwendet mit dem Ziel, das Wohlbefinden des Menschen und die Leistung des Gesamtsystems zu optimieren“

Das heißt, „Ergonomie“ ist schlichtweg die Disziplin innerhalb all diejenigen arbeiten, die Gebrauchstauglichkeit von Produkten sicherstellen. „Software-Ergonomie“ ist demzufolge die Disziplin innerhalb all diejenigen arbeiten, die Gebrauchstauglichkeit von Software-Erzeugnissen sicherstellen.

Fazit

Umgangssprachlich spielt es keine Rolle, welcher Begriffe man sich bedient. Wenn Nutzer ein Produkt als „benutzerfreundlich“ bezeichnen, dann ist das klar was gemeint ist.

Wenn Werbeanzeigen wiederum auf „benutzerfreundliche“ Produkten hinweisen, ist bereits Vorsicht geboten, da dies alles – und leider typisch – auch nichts bedeuten kann.

Im Rahmen von Produktplanungen, Produktentwicklungen und Produktbewertungen sollten Fachleute den scharf definierten Begriff der Gebrauchstauglichkeit verwenden, um bei allen Beteiligten den gleichen Fokus herzustellen. Die Erreichung der Gebrauchstauglichkeit bei interaktiven Produkten stellt nach wie vor die größte Herausforderung für Produkthersteller dar. Vor diesem Hintergrund wirken Begriffe wie „benutzerfreundlich“ im Rahmen von Produktentwicklungen und Produktbewertungen verniedlichend und irreführend. Die Normenreihe ISO 9241, Teile 1-17 enthält übrigens weit mehr als die grundlegenden Definitionen. Die konsequente Einhaltung der etwa 500 Empfehlungen der Normenreihe ISO 9241 bei der Entwicklung von Produkten ist leider nach wie vor noch nicht selbstverständlich – warum eigentlich?

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