Zwangsdigitalisierung der Stromverbraucher – kommt jetzt der Taschenlampen-Boom?

Die Einführung von digitallen Stromzählern (sog. „Smart Meter“) ist seit 2016 eine beschlossene Sache. Bei der Zustimmung im Bundestag wurde angeblich eine EU-Richtlinie zur Energieeffizienz umgesetzt, nach der 80% der Verbraucher bis 2020 mit intelligenten Stromzählen auszustatten sind, wenn dies als kostenwirksam angesehen wird. Eine Kosten-Nutzen-Analyse von Ernst & Young kam jedoch 2013 zum Schluss, dass diese Maßnahme nicht kostenwirksam sei, die EU-Richtlinie also nicht umgesetzt werden musste. Verdachtsmomente, dass sich die neuen Zähler „verzählen“, und vergleichsweise höhere Kosten für den Betrieb würden potenzielle Nutzer wahrscheinlich abschrecken – wenn sie denn auf den Einsatz verzichten dürften. Die Usability der Geräte verdient das Prädikat „Real Satire“.

„Mit den neuen Systemen bekommen Kunden einen besseren Überblick über ihren Stromverbrauch und so die Möglichkeit zu energiesparendem Verhalten“ lobte der Projektverantwortliche der Stadtwerke Velbert die Geräte. Aber wie kann z.B. der Verbrauch beim ‘Toilettengang’ mit angeschaltetem Licht abgelesen werden? Die „Kurzanleitung für den elektronischen Stromzähler EDL21“ des Verteilnetzbetreiber „Westnetz“ erklärt die Vorgehensweise: „Zur Bedienung des Zählers ist lediglich eine handelsübliche Taschenlampe notwendig, mit welcher der Lichtsensor auf der Vorderseite des Gerätes angeleuchtet wird.“

Abbildung 1: Display des elektronischen Stromzählers
Abbildung 1: Display des elektronischen Stromzählers

Um auf die Daten des intelligenten Stromzählers zuzugreifen, erhält der Kunde von den Stadtwerken eine vierstellige PIN mitgeteilt, die vor der Bedienung des Geräts mittels Lichtsignalen eingegeben werden muss. Wie das geht erörtert die Bedienungsanleitung:
„1. Leuchten Sie hierzu zweimal nacheinander kurz mit der Taschenlampe auf den Lichtsensor.
2. In der zweiten Displayzeile erscheint „PIN“ und an der ersten Stelle steht die Ziffer 0. Leuchten Sie den Lichtsensor mehrfach nacheinander kurz an, bis Sie die erste Ziffer Ihrer PIN sehen […] Warten Sie danach drei Sekunden, die Eingabe springt nun auf die nächste Stelle.“
Für die Eingabe der Ziffer „9“ muss der Nutzer den Lichtsensor also neunmal nacheinander kurz anleuchten. Fehleingaben machen einen Neustart des gesamten Vorgangs erforderlich.

Nach erfolgreicher PIN-Eingabe kann sich der Nutzer nun umfänglich über seinen Stromverbrauch informieren und beispielsweise mit fünf Lichtblitzen den Verbrauch der letzten 30 Tage abfragen. Auch eine Nullstellung ist möglich: „Diese Funktion ist mit dem Tageskilometerzähler eines Autos vergleichbar. Für die Rückstellung auf Null leuchten Sie den Lichtsensor ohne Unterbrechung so lange an, bis der Wert in der Anzeige gelöscht wird.“ Damit wäre z.B. der Verbrauch einer Waschmaschine messbar, wenn gleichzeitig alle anderen Verbraucher abgeschaltet, vor dem Waschgang mit der Taschenlampe die Nullstellung aktiviert und nach der Wäsche der aktuelle Wert abgelesen wird. Die PIN muss allerdings beide Male eingeblinkt werden, denn zwei Minuten nach dem letzten Anleuchten zeigt das Display wieder die aktuelle Leistung an.

Welcher Nutzen sich durch einen zwangsweisen Gerätetausch für den Nutzer ergibt, wenn dieser nicht umständlich über Lichtsignale mit seinem Stromzähler kommunizieren möchte, ist fraglich. Denn die Geräte sind nicht vernetzt. Aber vielleicht erleben ja Taschenlampen demnächst einen Boom.

Quellen:
http://www.westnetz.de/web/cms/mediablob/de/1757002/data/1625938/6/westnetz/netz-strom/messstellenbetrieb/edl21-zaehler/Kurzanleitung-fuer-den-elektronischen-Stromzaehler-EDL21.pdf
https://scilogs.spektrum.de/datentyp/digitalisierung-mit-der-taschenlampe/
https://www.borncity.com/blog/2017/09/24/realer-irrsinn-deutschland-intelligente-stromzhler/