Benutzungstests zu teuer

18. März 2005

Sehr geehrtes FIT Usability Team,

ich bin Entwickler in einer großen Firma. Wir planen unseren Kunden im nächsten halben Jahr ein Geschäftskundenportal anzubieten. Ich hege die starke Vermutung, dass unser Produkt große Mängel in seiner Benutzerfreundlichkeit hat, kann das aber meinen Kollegen nicht richtig vermitteln. Um meine Kollegen davon zu überzeugen, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit dringend notwendig wären, würde ich gerne Benutzungstests durchführen lassen. Dazu habe ich mir bereits Angebote eingeholt. Leider bekomme ich ein solches Budget für Usability, ohne dass ich meine Kollegen von der Notwendigkeit überzeugt habe, nicht durch. Welche preisgünstigeren Möglichkeit gibt es, meinen Kollegen zu beweisen, dass systematische Benutzungstests sinnvoll für unser Produkt sind?

Antwort

Lieber Leser,

das Problem ist uns nicht unbekannt. Gerade die Menschen, die eine Anwendung selbst entwickelt haben, können sich schwer vorstellen, dass Benutzer Schwierigkeiten bei der Bedienung haben könnten. Um eine schnelle und kostengünstig Überzeugungsarbeit in Ihrer Firma leisten zu können, schlage ich Ihnen zwei Wege vor:

1. Suchen Sie sich einen netten Kollegen, der nicht an der Entwicklung des Produktes beteiligt war. Geben Sie ihm eine typische Aufgabe, die mit dem Produkt erledigt werden soll und bitten Sie ihn den Bedienablauf und eventuelle Schwierigkeiten zu kommentieren. Beobachten Sie, welche Nutzungsprobleme auftreten. Halten Sie diese fest, bzw. lassen Sie Ihre Entwicklerkollegen auch zuschauen. Jedes Nutzungsproblem Ihres „unbedarften“ Kollegen kann ein Indikator für ein Usability-Problem sein. Auf diesem Wege haben Sie zwar noch keine Usability-Untersuchung durchgeführt, aber Ihre Kollegen kostenlos von der Notwendigkeit zur Usability-Optimierung überzeugt.

2. Anstelle von Benutzungstests kann es auch Sinn machen, das System von einem Usability-Experten beurteilen zu lassen (Expertenevaluation). Hierbei beurteilt ein Usability-Experte anhand der vorgesehenen Nutzungssituationen, ob anerkannte Gestaltungsgrundsätze eingehalten wurden. Eine Expertenevaluation ist allerdings nur dann sinnvoll und kostengünstig, wenn die Anwendungsdomäne kein allzu großes Fachwissen erfordert. Ein Usability-Experte kann ohne Aufgabenverständnis nur „Oberflächenmaniküre“ betreiben. Eine Expertenevaluation ist in der Regel kostengünstiger als Benutzungstests und wirkt potentiellen Nutzungsproblemen entgegen. Jedoch gilt: Nur der tatsächliche Endbenutzer entscheidet über die Usability Ihres Produktes.

Britta Hofmann

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