Handy-Studie: Nutzung von Handys bei Senioren

27. April 2006

Wenn ich morgens auf meinen Bus warte, höre ich immer wieder: „Mein Freund hat mir gestern wieder so eine süße SMS geschrieben.“ oder „Och Maaann, gestern hat mein Freund über SMS mit mir Schluss gemacht.“ Handys sind aus meiner Generation nicht mehr weg zu denken. Aber wie sieht das mit der Nutzung von Handys bei den älteren Mitbürgern aus? Diese Frage habe ich mir gestellt und darum Leute im Alter über 60 Jahren befragt.

Von den Handybesitzern wollte ich wissen, wofür sie ihr Handy hauptsächlich nutzen. Ob sie mit ihrem Handy gut zu Recht kommen, ob sie es noch einmal kaufen würden. Ob das Design und die Tastengröße angemessen sind und ob sie es immer dabei haben. Bei den Nicht-Handybesitzern fand ich ganz interessant zu fragen, warum sie kein Handy besitzen und ob sie dennoch manchmal in Situationen sind, in denen sie ein Handy gebrauchen könnten. Welchen Zweck das Handy erfüllen sollte und ob sie Anforderungen an ein spezielles Handy-Design haben.

Vorgehensweise

Um die Personen strukturiert befragen zu können, habe ich zuerst zwei verschiedene Fragebögen entworfen. Einen für die Handybesitzer und einen für die, die kein Handy besitzen. Mein Ziel war es, 20 Personen ohne Handy und 20 Personen mit Handy zu befragen. Die erste Schwierigkeit war nun allerdings, Kontakt zu so einer großen Anzahl von Leuten über 60 Jahre ohne und mit Handy zu bekommen. Ich lief darum im Fraunhofer-Institut FIT von Türe zu Türe, um Telefonnummern von Omas, Opas, Onkel, Tanten und Eltern der Mitarbeiter ausfindig zu machen. Letztendlich hatte ich auf diesem Wege 43 Interviewpartner über 60 Jahre geworben. Davon waren 22 Handybesitzer und 21 besaßen kein Handy. Nachdem ich alle telefonischen Befragungen durchgeführt hatte, wertete ich die Daten aus und gelange zu folgenden Ergebnissen:

„Viele ältere Menschen haben Angst vor der neuen Technik“

Schnell bekam ich bei den Antworten das Gefühl, dass viele ältere Menschen „Angst“ vor der Handy-Technik haben. Dies entwickelte sich, als ich die Nicht-Handybesitzer fragte, warum sie kein Handy haben. Sie antworteten mir mit „keine Verwendung“, konnten aber dennoch gute Situationen nennen, in denen sie ein solches im Alltag gut gebrauchen könnten. Zum Beispiel, wenn sie mit dem Auto unterwegs sind, im Urlaub, bei Notfällen oder auch, wenn das Festnetz- Telefon kaputt ist. Die ein oder anderen gaben sogar zu, dass sie „Angst“ vor dem Benutz von Handys haben. Eine ältere Dame sagte: „Ich habe Angst, ich komme nicht klar damit.“, eine andere sagte: „Ich habe Hemmungen, es zu bedienen.“

„Ältere Menschen haben ältere Handys“

Ich stellte fest, dass ältere Leute interessanter Weise ältere Handymodelle besitzen und die gleichen Modelle noch einmal kaufen würden. Die meisten Befragten besitzen noch so richtige alte „Telefonzellen“, zum Teil acht bis neun Jahre alt, mit großem Bildschirm und großen Tasten. Allerdings weisen diese Handys scheinbar alle Funktionen auf, ältere Menschen nutzen: Telefonieren und SMS schreiben.

Abbildung 1

Abbildung 1: Antwort auf die Frage, ob die Befragten ihr Handy noch einmal kaufen würden.

Um mir ein Bild zu machen, ob es vielleicht unter den älteren Menschen bevorzugte Handymodelle gibt, habe ich gefragt, welches Handy sie genau besitzen: Acht der Befragten besitzen ein SIEMENS- Handy, fünf Personen ein Handy von dem finnischen Mobilfunk-Anbieter NOKIA, drei der 22 Personen ein SAGEM- Handy, zwei weitere ein Handy von MOTOROLA, einer ein SONY-Handy, ein anderer ein SAMSUNG-Handy und wieder ein weiterer ein Handy von der Marke ERICSSON. Einer der Befragten wusste nicht, was für ein Handy er besitzt.

Abbildung 2

Abbildung 2: Antwort auf die Frage, was für ein Fabrikat die Befragten genau besitzen.

„Ältere Leute befassen sich nicht intensiv mit ihren Handys“

Desinteresse mag ich es nicht nennen, eher stellte ich bei der nächsten Frage fest, dass die Leute sich gar nicht so intensiv wie meine Generation mit ihren Handys befassen. Ich fragte, ob sie mit ihrem Handy gut zurecht kommen und vier Leute antworteten mit „Nein“, bei vielen anderen war das „Ja“ eher nur zögerlich und wohl eher als „Jein“ zu verstehen. Darauf fragte ich genauer nach, warum sie nicht gut mit ihrem Handy zu Recht kommen. Dabei hörte ich Antworten wie „damit habe ich mich noch nie so genau befasst“. Zuerst klang es sehr nach Desinteresse, aber danach kam mir der Gedanke, dass ältere Leute vielleicht gar nicht so recht über Handys „aufgeklärt“ sind und gar nicht genau wissen, wie man es bedient, welche Funktionen sie zur Verfügung haben und dass es gar nicht so schwer ist, wie manche denken.

„Auch alte Menschen schreiben SMS“

SMS- schreiben… Ja, auch ältere Menschen schreiben SMS! Als ich hörte, dass die älteren Menschen auch SMS schreiben, war ich gar nicht darauf gefasst und vergaß zu fragen, an wen sie die Nachrichten schicken und was in ihren „Botschaften“ steht. Es wäre interessant dies einmal genauer nachzuprüfen. Normalerweise denkt man ja immer, nur die „Jugend“ würde SMS schreiben, aber alte Menschen tun es auch. Klingt komisch, ist aber so und es ist gut so. Deswegen antworteten acht Personen, auf die Frage, ob sie auch ohne ein Display zu Recht kommen würden, mit „Nein“. Auch auf die Frage, ob das Handy ihrer Meinung zu viele Tasten hätte, waren viele ganz erstaunt und fragten mich, ob man die nicht alle bräuchte, zum Beispiel zum SMS- schreiben. Allerdings sagten sie auch, dass die Tasten etwas größer sein könnten.

„Ältere Menschen haben keinen großen Design-Anspruch“

Ãœber der Hälfte der befragten Personen kommt es nicht auf das Design ihres Handys an. Dennoch hätten alle Vorstellungen, wie „ihr“ Handy aussehen könnte: Kleiner, handlicher, leichter vom Gewicht her und „ein bisschen Farbe muss her“ und nicht zu vergessen, GROSSE TASTEN UND GROSSER BILDSCHIRM. Am wichtigsten ist den Befragten die Zweckerfüllung.

„Handy gibt ein Gefühl von Sicherheit“

„Beim Auto fahren.“, „Wenn ich alleine unterwegs bin!“ und „Wenn ich außer Haus bin und längere Strecken mit dem Auto fahre.“ waren fast einstimmig die Antworten auf die Frage, in welchen Situationen ältere Menschen ihr Handy grundsätzlich dabei haben. Aber ob sie es immer eingeschaltet haben, ist eine andere Frage. Wofür aber besitzen sie dann ein Handy, wenn es nicht immer an ist?…

….Um es ausgeschaltet in der Wohnung liegen zu lassen und bei Bedarf andere Passanten zu fragen?! Das wäre natürlich Unsinn. Vielleicht gibt aber das Mittragen eines Handys ein Gefühl von Sicherheit, auch wenn es überwiegend ausgeschaltet bleibt. Zur Not könnte man es ja wieder anschalten. Vielen älteren Menschen scheint es lieber zu sein, allerorts jemanden erreichen zu können, als selbst immer erreichbar zu sein.

Fazit

Aus dieser Studie habe ich zum einen für mich gelernt, dass die älteren Menschen eher ältere Modelle als die schon vorhandenen „Seniorenhandys“ besitzen.
Abbildung 3
An was mag das wohl liegen? Eventuell an fehlender Werbung oder vielleicht auch an der Bezeichnung „Senior“? Vielleicht auch, weil den „Seniorenhandys“ oft eine Sache fehlt, nämlich der Bildschirm. Sie sind darum eigentlich keine „echten“ Handys. Diese Handys haben oftmals nur ganz wenige Tasten. Jeder Taste kann man eine Nummer zuordnen, beispielsweise, die der Tochter. Eine Taste hat zum Beispiel die Funktion, direkt den Notruf betätigen zu können.

Vielleicht sollte man für diese „Seniorenhandys“ ganz besonders viel Werbung machen. Zum Beispiel um die Mittagszeit auf ARD oder ZDF oder auch WDR. Oder sogar eine Sendung nur über diese Handys. Sozusagen um die alten Leute „aufzuklären“. Ich finde allerdings, dass „Seniorenhandys“ eher wie „normale“ Handys aussehen sollten, aber eine Nummer größer. Große Tasten, großer Bildschirm und eine ganz einfache Bedienung, so dass man grade einmal eine SMS schreiben kann oder das Wichtigste, nämlich telefonieren kann.

Zum anderen habe ich erfahren, dass ältere Menschen scheinbar Angst vor der Technik haben. Dies könnte man in Gemeinden oder als Schulprojekt eventuell ändern. Man könnte in ein Altersheim fahren und dort zeigen, wie einfach eigentlich die Bedienung der Handys ist. Man könnte aber auch bei den Handys ein extra Handbuch dazu legen. So geschrieben, dass es auch Senioren verstehen und gut bedienen können. Denn selbst ich verstehe diese Handbücher manchmal nicht.

Mein Fazit ist: Handys für ältere Menschen sollten auf deren Interessen hin gestaltet werden und nach Handys aussehen.

Leserbriefe

Ich habe mich aus beruflichen und privaten Gründen schon ein wenig mit Seniorenhandys beschäftigt und daraus auch bereits einige Erkenntnisse abgeleitet. Zum Beispiel habe ich festgestellt, dass die Akzeptanz von Mobiltelefonen bei Männern ungleich höher zu sein scheint als bei Frauen, obgleich Frauen in der Regel kommunikativer sind und mehr telefonieren.

Ein anderer Punkt betrifft das Alter des benutzten Telefons. Ich denke, das viele Ältere ein funktionierendes Gerät nicht gerne durch ein neues ersetzen, sei es aus Sparsamkeit oder weil selbst kleine Unterschiede in der Bedienung, die jungen Menschen vielleicht gar nicht wirklich auffallen, für ältere Menschen einen erheblichen Lernaufwand bedeutet (was ja auch im Artikel anklingt). Außerdem kritisieren viele ältere Menschen an neuen Telfonen die vielen, viel zu kleinen Tasten, die unübersichtliche Anzeige mit zu viel Informationen und schnellen Animationen und die Vielzahl von kaum nutzbaren (weil zu teuer?) Funktionen.

Ein weiterer Grund ist die Herkunft des Telefons. Viele Senioren haben ein altes Handy ihrer Kinder erhalten und benutzen es weiter. Dies läßt sich übrigens auch bei Computern beobachten. Also haben viele Senioren ihr Handy gar nicht selber gekauft und würden dies wohl auch nicht ohne Unterstützung von Vetrauten tun. So gesehen ist es sinnlos, Werbung für Seniorenhandys an Senioren zu richten.

Ich stimme aber mit der Autorin darin überein, dass Mobiltelefone für Senioren wie ein normales Mobiltelefon aussehen sollte, aber eben nur besser bedienbar ist. Damit könnten auch andere Interessengruppen angesprochen werden. Ein klassisches Seniorentelefon zeigt aber, dass der Besitzer „alt“ ist.

W. Feilner

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