Welche Methodik gibt es für die Entwicklung von gebrauchstauglichen Mensch-Maschine-Schnittstellen?

29. Januar 2007

Liebes „FIT für Usability“-Team,

ich bin Student des Wirtschaftsingenieurwesens der TU Ilmenau und befasse mich im Rahmen einer Projektarbeit mit der Entwicklungsmethodik von Mensch-Maschine -Systemen. In der Annahme, dass ein Arbeitssystem aus den beiden entscheidenden Subsystemen Mensch und Technik besteht, untersuche ich, welche methodisch systematischen Werkzeuge für die Entwicklung der Subsysteme (Mensch, Technik, Schnittstelle Mensch-Technik) zur Verfügung stehen und wie effektiv dadurch eine Entwicklung und Konzeption eines gesamten Arbeitssystems möglich ist.

Bei meinen Recherchen fiel auf, dass man für die Entwicklung von konventionellen komplexen technischen Systemen eine universelle Methodik gefunden hat, die so effektiv ist, dass sie in das Normenwerk (Konstruktionsmethodik – VDI 2221) aufgenommen wurde.

Dagegen scheint man auf dem Gebiet der Softwareentwicklung keineswegs eine ähnliche effektive Methodik gefunden zu haben, mit der im Prinzip jede Softwareentwicklungsaufgabe gelöst werden kann. Auch auf dem Gebiet Usability, Software Ergonomie, Hardwareergonomie scheint noch keine allgemein anerkannte Entwicklungsmethodik gefunden […]. Übertrieben gesagt, läuft es also auf eine Art Probieren hinaus, weniger auf eine Möglichkeit einer gezielten Strukturierung der Entwicklungsaufgabe.

Deshalb folgende Fragen:

Wie weit sehen sie den Fortschritt auf dem Gebiet eines methodischen Vorgehens für die Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen?

Welche Systemsicht wird dafür eingenommen?

Welche (natur)wissenschaftliche Basis wird dafür herangezogen, ähnlich wie es die physikalischen Gesetze in der konventionellen Produktenwicklung sind?

Antwort

Lieber Leser,

Ihrer Aussage, dass bisher keine effiziente Methodik existiert, um ergonomische bzw. gebrauchstaugliche Mensch-Maschine-Schnittstellen zu entwickeln, würden wir so nicht zustimmen.

Zunächst existiert die ISO Norm 13407, die benutzerorientierte Gestaltungsaktivitäten in Form eines Vorgehensmodell für die Entwicklung von gebrauchstauglichen Systemen beschreibt. Allerdings wird hier nicht festgelegt, wie genau, mit welchen Methoden und Werkzeugen, die definierten Aktivitäten umgesetzt werden können. Dieser Herausforderung begegneten Autoren aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft und Praxis, indem sie Verfahren mit konkreten Vorschlägen zur Umsetzung entwickelten. Ein solches Verfahren stellt der „DATech-Prüfbaustein Usability-Engineering-Prozess“ der Deutschen Akkreditierungsstelle Technik e. V. (DATech) dar. Unternehmen, die eine Akkreditierung nach DATech anstreben, müssen nach diesem Vorgehen produzieren.

Sowohl die ISO 13407 als auch das DATech Prüfhandbuch, betrachtet Softwaresysteme stark aus Benutzersicht.

Als Basis für die angewendeten Methoden und Vorgehensweisen dienen aufgrund der starken Benutzerorientierung sowohl wissenschaftliche Studien aus den Bereichen der Soziologie und Psychologie sowie der Mensch-Maschine Interaktion als auch Erfahrungswissen aus mehrjähriger Praxis der an den jeweiligen Projekten Beteiligten.

Die Norm DIN EN ISO 13407

Mit der Norm DIN EN ISO 13407 „Benutzer-orientierte Gestaltung interaktiver Systeme“ existiert ein international anerkanntes methodisches Vorgehensmodell zur Entwicklung von gebrauchstauglichen Softwareprodukten. Diese Norm wurde entwickelt, um Softwareunternehmen ein Vorgehensmodell an die Hand zu geben, das sie dabei unterstützt, Produkte zu entwickeln, die den in anderen Normen definierten Kriterien der Gebrauchstauglichkeit bzw. Software-Ergonomie genügen.

Das beschriebene Vorgehensmodell sieht vor, dass Maßnahmen zur Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit schon zu Beginn des Entwicklungsprozesses etabliert werden. Die durchzuführenden Maßnahmen werden in der Norm beschrieben. Diese Maßnahmen werden im Rahmen eines iterativen Vorgehens während des gesamten Entwicklungsprozesses fortgeführt, bis ein Produkt den Kriterien der Gebrauchstauglichkeit genügt.

Alle durchgeführten Maßnahmen sind stark auf den Benutzer und dessen Bedürfnisse im Rahmen der jeweiligen mit dem System durchzuführenden Arbeitsaufgabe ausgerichtet. Das System wird also aus der Sicht des Benutzers betrachtet.

Herausforderung

Die Herausforderung der Norm DIN EN ISO 13407 besteht für Softwareunternehmen darin, das in der Norm beschriebene Vorgehensmodell in ein konkretes Vorgehen umzusetzen. In der Norm wird nicht beschrieben, welche Methoden und Werkzeuge angewendet werden sollen, um die beschriebenen Maßnahmen durchzuführen. Die Norm bietet demnach zwar ein grundsätzliches Vorgehensmodell, liefert jedoch keine konkreten Gestaltungsvorschläge für den Entwicklungsprozess, geschweige denn einen Methoden- und Werkzeugbaukasten.

DATech Prüfbaustein Usability-Engineering-Prozess

Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurden in der Vergangenheit verschiedene Vorgehen entwickelt. Ein in Deutschland weit verbreitetes Vorgehen wird beispielsweise in dem „DATech Prüfbaustein Usability-Engineering-Prozess“ der Deutschen Akkreditierungsstelle Technik e. V. (DATech) beschrieben, das explizit auf die Norm DIN EN ISO 13407 aufbaut.

Wie der Titel vermuten lässt, zielt das Prüfhandbuch zunächst auf die Prüfung des Entwicklungsprozesses ab. Es dient Softwareunternehmen aber auch Prüfern um festzustellen, ob ein Prozess tatsächlich gebrauchstaugliche Produkte „produziert“. Allerdings wird hier auch sehr konkret beschrieben, wie ein Entwicklungsprozess aussehen muss, damit ein Produkt gebrauchstauglich ist. Somit kann es Softwareunternehmen nicht nur zur Prüfung des eigenen Prozesses dienen, sondern auch als Anleitung, welche Methoden und Vorgehensweisen in welcher Abfolge bei der Softwareentwicklung eingesetzt werden müssen.

Dorothea Kugelmeier

Zu diesem Thema siehe auch folgende Artikel:

Usability 1×1 > Usability im Entwicklungsprozess > Benutzerorientierte Gestaltung interaktiver Systeme gemäß der Norm ISO 13407

Usability 1×1 > Usability im Entwicklungsprozess > Das DATech-Prüfhandbuch Usability-Engineering-Prozess: Ein Verfahren zur Ãœberprüfung der Normkonformität mit DIN EN ISO 13407

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